Samstag, 10. Dezember 2011

Hobby-Buchbinders (Vor-)Weihnacht

Für 2011 ist die BuBi-Werkstatt - mehr oder weniger - geschlossen. Bevor ich daran gehe, meine Bücherlein abzuliefern und meine Butze aufzuräumen, möchte ich noch schnell zeigen, was ich in den letzten Tage fertiggestellt habe.

vuscor macht Weihnachtsgeschenke; v.l.n.r.:
4x Skizzenbuch, 2x Lebenserinnerungen, 2 Blindbücher (dick+dünn), 1 x Mark Twain


_ Den Mark Twain habe ich als Rohbögen auf ebay geschossen. Der hat mir besonders gut gefallen, weil der legendäre Walter Trier diese Nachkriegspublikation knuffig illustriert hat. Eine identische Ausgabe las ich als Kind. Ich musste damals, das war wohl ca. Weihnachten 1953/54, mit meiner Mutter um das Buch streiten, denn ihr schien es auch zu gefallen. Vom Patenonkel bekam ich Hermann Löns, Aus Feld und Flur, geschenkt. Das, glaubet mir, habe ich nie gelesen, selbst als Kind nicht. Also Twain: Bögen, der Übung wegen, auf Kordel geheftet, den Regentrücken tintenstrahlbedruckt und den Rest mit Tanjas Kleisterpapier bezogen.] Empfänger sind 2 Mädchen von 10 + 11 Jahren. Bin gespannt, ob die mit solch einem antiquierten Schätzchen etwas anfangen können.
_ Die Erinnerungen eines alten Bekannten, er hat seine Zeit als (Kinder-)Soldat bei den untergehenden Nazis beschrieben, habe ich in ein (5-)Milllimeter-Bändchen mit Leinenrücken und feldgrauem Sprenkelpapier gebunden. Vorsatz wurde ein mit dem Bezugspapier abgestimmtes Roemerturm Maschinenbütten, darauf auch die Titelschildchen.
_ Die 4 identischen Skizzenbücher verschenke ich an enge Freunde, die regelmäßig und gemeinsam zum Aquarellieren ausrücken und erstaunlich poetische Arbeiten zurückbringen: „Baumriesen in herbstlich-nebeliger Siegtalaue”. [Angestupst durch die leise Bemerkung der berühmten Meisterbuchbinderin Mergemeier/Düsseldorf: „Buckram (sprich griffschutzbeschichtetes Bibliotheksleinen), sollte für Alltagsbücher viel öfter eingesetzt werden!” Recht hat die Dame. Hier also mit einem hellorangeroten Regent-Rücken, orangefarbenes Buckram, Buchblock Maschinenbütten vom boesner, A4 auf A5 gefalzte Bögen, daher edel daherkommender, allseitiger Büttenrand ;-o, dunkelrotes Tosabütten als Vorsatz, kleine Blindprägung auf der Titelseite].
Auf Wunsch einer einzelnen Dame in gleicher, handwerklicher Manier gemachtes dickes Notizbuch mit bestem, altweiss getöntem Schreibpapier und eingebunden in der Leinen-Buckram-Variante Rot-Schwarz. Zur Veredlung auf die Titelseite eine Blindprägung mit der Initiale der jungen Dame gesetzt.
_ Die von mir so gerne geübte Papier- u. Pappe-Resteverwertung ergab ein weiteres Skizzenbüchlein aus Abschnitten von feinem Briefpapier (Maschinenbütten, Roemerturm) mit weinrotem Leinenrücken und einem Bezug aus handgeschöpftem indischen „Banana khadi”-Papier. Dieses habe ich nach langer Suche bei einem französischen Anbieter auf der BuBi-Messe im Oktober in Köln gesehen und gekauft. Leider nur 1 Probebogen, was ich sehr bedaure, da sich das Material hervorragend verarbeiten lässt und eine sehr schöne Haptik hat.  Auch hier eine kleine Blindprägung auf der 1 Seite. Dort soll Empfänger ein Titeletikett einkleben.

Mittwoch, 9. November 2011

Expand your bookshelf, please.

«Lehrgang für Papparbeiten - Cours de Cartonnage» Arbeiten für Schüler und Lehrerkurse. Arbeitsbuch für die Freizeitbeschäftigung. Zweisprachig deutsch-französisch, 191 S., zahlreiche S/W-Abbildungen.
Papparbeiten sind nach der reinen Lehre der alten Meister die „Nebenarbeiten des Buchbinders”. Nun, wer sich in dieses Buch, herausgegeben 1966 vom Schweizerischen Verein für Handarbeit und Schulreform (sic!), vertieft und sich zwischen den ungezählten hervorragenden Werkzeichnungen nicht verliert, ist bald vom Gegenteil überzeugt.
Natürlich meine ich den Buchbinde-Amateur, nicht den Profi, denn, so glaube ich, der würde sich freuen, wenn er gelegentlich den Auftrag erhielte, eine Schachtel, eine Box oder gar eine Dokumentenrolle zu fertigen. Leider findet sich so schnell niemand, der kunsthandwerkliche Objekte der gediegenen Art in Auftrag gibt und dem die fällige Rechnung nicht die Tränen in die Augen treibt.
Den Hinweis zum Buch, das in Wirklichkeit eine fadengeheftete, knochengeleimte Broschur ist, verdanke ich der Schweizerin Käti Kreienbühl, besser bekannt als kecke kreatives handwerk, deren Exemplar leider ziemlich ramponiert war. Man sah ihm das halbe Jahrhundert im Gebrauch durchaus an. Mein eigenes, das ich zwischenzeitlich auf ZVAB fand, ist ähnlich mürbe im Rücken, besteht doch die Maschinenheftung aus einem hauchdünnen Fädlein.
Käti schicke ich morgen ihr kostbares Büchlein, neu und stabil eingebunden, und Ihnen empfehle ich, sich um ein eigenes zu bemühen. Denn wer gerne mit Pappe arbeitet, wird sich über die Fülle an sofort verwertbaren, zielorientierten Informationen freuen.

Kätis Buch zerlegt …

… und neu eingebunden.

Montag, 24. Oktober 2011

Buchbinder-Messe Köln

Der traditionelle deutsche Buchbinder-Messe (23. Oktober 2011) fand zum 12. Mal in der Werkstatt Palette, Köln, Lüderichstraße, statt. Es war Bewegung im Angebot zu beobachten, dies jedoch mehr in den Details. Viel Neues kann auch ein solch gediegener Traditionstreff nicht mehr bieten, das Angebot ist auf die reine Handbuchbinderei fokussiert. Auch die seltenen Besucher aus der Welt der Maschinenbuchbinderei (Kunden u. Lieferanten) waren - wie immer - fasziniert von den vielseitigen Angeboten im Papier- und Leder, im Zubehör- und Werkzeugsegment.
Immer interessanter und variantenreicher werden vor allem die Tische der selbst vermarktenden Buntpapierhersteller und Anbieter exotischter Papiere jeglicher Grammatur, Farbe und Oberfläche.
Nach langer Abstinenz wurden auch einige wenige, eigentlich unentbehrliche Buch- und Klotzpressen angeboten, darüber hinaus hingen schriftliche Angebote dazu aus, wer schleppt schon gerne Gußeisen durch Deutschland. Es fanden sich nur sehr wenige Bücher, Rohbögen bzw. Rohblöcke sowieso, bedauerlich für den, der nicht nur Blankobücher binden möchte.
Auch in diesem Jahr wurden die neuen hellen Räume sehr gelobt, die Besuchen konnten entspannt alles unter die Lupe nehmen: Alles in allem ein feines Sonntagsvergnügen, zu dem trotz des herrlichen Sonnenscheins viele hundert Besucher erschienen sind.
Einen besonderen Dank sollten wir Buchbinder - neben den Ausstellern und ihren Standbesatzungen - den Damen und Herren der Palette aussprechen, die in ihrer Freizeit für den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung und für das liebevolle Catering gesorgt haben.
Auf Wiedersehen in 2012.

Sonntag, 16. Oktober 2011

Dem „Alten Fritz” zu Ehren

Buchreihen wie die „Insel-Bibliothek” oder „Die Andere Bibliothek” scheuen keinen Aufwand, ihre Einbände schön und individuell zu gestalten. Wenn dann auch noch eine Freundin im buchbinderischen bzw. im buntpapiergestalterischen Geiste den Auftrag erhält, ein formidables Werk „einzubinden”, kann meine Freude nicht größer sein.
So war es, als das Buch von Norbert Leithold, Friedrich II. von Preußen - Ein kulturgeschichtliches Panorama von A bis Z - in der Post lag. Über die Reihe, die seit Jahren im Eichborn Verlag erscheint, ist eigentlich alles gesagt. Die Werke sind mit bester Typografie auf schönem, lesefreudigen Papier gedruckt, fadengeheftet, in feines Textil gebunden und haben Lesebändchen sowie eine kundenfreudliche, schuberähnliche „Bauchbinde”. In Zeiten pfundschwerer Paperbacks und elektronischer Lesegeräte halt schon haptischer und visueller Luxus.
Zu diesem Buch möchte ich anmerken, dass es mit einem klassischen Kleisterpapierentwurf von Tanja Karipidis gestaltet wurde, der vom Verlag auf den traditionellen Textileinband gedruckt wurde. Ein hervorragendes Zitat in preußisch Blau, Spätbarock oder gar Frührokoko … egal, das Design weist klar nach Sanssouci. Der despotische Verschwender, genannt ‚Der Alte Fritz’, hätte sicher seine Freude daran.

Tanja Karipidis hat dem „Alten Fritz” einen würdigen Einband gestaltet


Donnerstag, 6. Oktober 2011

Buchbinden, transatlantisch: With a little help from my friends …

Gefragt, warum ich mich so gerne in der amerikanisch durchgeformten, von dem immer online seienden Initiator Peter Verheyen meisterlich am Leben erhaltenen Liste BOOK_ARTS-L@LISTSERV.SYR.EDU  tummle? Darum: Ich liebe die ebenso unprätentiöse wie zielorientierte, sofort verwertbare Art und Weise, wie ‚drüben’ globale, fachliche Kommunikation betrieben wird.

Ein ehrenwertes Mitglied der Liste frug aktuell nach „Tiny Bone Folders”. Eine Antwort, aus Australien übrigens, lautet:

»Two solutions:

1 Carve your own from flat bamboo chopsticks. I give them a rub with silicon hand cream. The long ones are good for working on a hollow spine.

2. Eat hot cakes for breakfast at MacDonalds and keep the plastic knife. The knives are great for small tasks and when they get a bit sad, throw them away and eat some more hot cakes.»

Das wollte ich mal dargestellt haben: Es gibt ein Wissen jenseits aller Prüfungsordnungen und auch solches, das nicht wirklich unter das so gerne herausgetrötete „mein Betriebsgeheimnis” fällt. Weitere Beispiele für tätige Kollegenhilfen können gerne in der Liste nachgelesen werden. Fast-Food hat dann wohl doch einen Benefit, finden Sie nicht auch? :-D

Dienstag, 4. Oktober 2011

Einladung zur Buchbindermesse in Köln am 23. 10. 2011



Einladung
Gemeinnützige Werkstätten Köln GmbH
Fachmesse und Treffpunkt für Hand-Buchbinder, Restauratoren,
Papier- und Schriftkünstler und alle andere Interessenten

Buchbinder-Messe Köln 2011
Sonntag, 23. Oktober 2011
11:00 – 17:00 Uhr
Werkstatt Palette - Lüderichstraße 8
51105 Köln (Gremberg)
Eintritt:  Erwachsene 2,50 €, Kinder 1,00 €

Buntpapiere I Gewebe I Buchbinde-Leder I Pergamente I 
Werkzeug I Geräte | Zubehör I Kalligrafiebedarf I 
Information I Präsentation I Demonstration



Freitag, 23. September 2011

Das „Jörg-Czischke-Handbuch” hat eine sichere Hülle erhalten





Einen klassisch-schlichten Archivkasten zu bauen war mir ein wenig zu wenig, also habe ich einen hochroten Bezug gewählt und den Kasten innen mit schwarzem Büttenpapier ausgefüttert. Die kleine Klappe rechts innen, trennt das „Hand-Buch”, das oben auf liegt, von den dazu zugehörigen aber nicht mehr korrekt einzusortierenden losen Archivalien. „Handbuch” haben wir das Objekt  genannt, weil der Czischke den Teil einer seiner Skulpturen auf den Deckel montiert hat.
Im scharfen Sonnenlicht wirkt das Teil noch dramatischer als schon im desolaten Urzustand. Irgendwie assoziiere ich in die Richtung „Geheimarchiv”, was aber auch daran liegen könnte, dass ich momentan Sebald lese.
Buchbinders Anmerkung: Ich hatte mir schon Gedanken gemacht, warum die meisten der Archivkästen mit Naturleinen oder mit Wachstuch (Buckram?) bezogen sind. Mir ist jetzt klar, dass mein hochfeines Buchleinen sehr empfindlich ist, was Abrieb etc. anlangt. Es ist also nicht geeignet, wenn - z.B. so ein Kasten - öfter auf einer rauhen Fläche hin- und her geschoben wird.

Sonntag, 14. August 2011

Rohbau steht

Als mein Freund Jörg Czischke vor einigen Jahren starb, hinterließ er ein beeindruckendes Oeuvre, Bilder, Zeichnungen, Buchobjekte, Skulpturen und Konzepte und einige wenige Archivalien, darunter   ein „Handbuch”. Darin hatte er alltägliche Gedanken ebenso wie technische und persönliche Daten, Informationen und Hinweise für seine Frau Margarethe notiert, Fundorte für seine Collagen usw. Für Kenner und Liebhaber seiner Arbeiten sind auch die teils winzigen Skizzen, manche in Farbe, wichtige Fingerzeige in sein Werk und in verschiedene Schaffensphasen.
In der Gruppe, die sich mit der Öffentlichmachung seines Werkes beschäftigt, wurde der Wunsch geäußert, Jörgs Handbuch zu restaurieren und die darin enthaltenen Informationen in Werkverzeichnis einfließen zu lassen.
Das Restaurieren habe ich übernommen. Ich fand ein nahezu aus den Fugen gegangenes chinesisches Notizbuch vor, das mit unterschiedlichen Applikationen verziert worden war. Das bemerkenswerteste Attribut war eine 3-dimensionale Hand, sprich ein gefüllter Textilhandschuh, überzogen mit einem Kunststoff (?) und einer Hartwachs-Schicht. Ein Buch mit einer solchen „Titelseite” lässt sich nur mühsam „einpressen”, um die Leimung der neuen Vor- und Nachsätze ans Halten zu bringen.
Heute habe ich den Rohbau für die Archivschachtel fertiggestellt, die ich bald, wenn ich das dafür  nötige seelische Gleichgewicht erreicht habe, mit Regent-Leinen beziehen und mit Gmundener Hanfpapier auskleiden werde. Weil ein Rohbau schon einigermaßen wichtig ist, hier vorab Bilder von der Hand und vom rohen Kasten. Der Zwischenboden im rechte Teil, der das Handbuch aufnimmt, ist mit einer Klappe versehen, damit die lose beigelegten Zettelchen einen würdigen Platz finden und ohne großes Gefummel entnommen werden können.




Ein paar wenige Infos zu Jörg Czischke hier http://art-ist-joerg-czischke.posterous.com/
Eine umfassende Online-Darstellung ist in Arbeit und kommt bald. 

Montag, 11. Juli 2011

„Kleinigkeit zu reparieren”

Einer meiner Freunde hat sich als Buchsammler auf die Kunst der 60er/70er Jahre kapriziert. Er geht mit seinen Büchern immer sehr sorgfältig um, so dass sich seine Anfragen, ob ich ihm nicht mal - aus alter Freundschaft, versteht sich - ein beschädigtes Buch reparieren könnte, schließlich sei ich ja der Buchreparatur liebevoll zugetan … usw. usw. im engen Rahmen halten.
Neulich schleppte er ein, natürlich, seltenes, signiertes, datiertes, nummeriertes, aber nicht paginiertes Werk von Richard Tuttle an. 91,3 cm breit und 30,5 cm hoch. Der ca. 1,5 cm dicke Buchblock wurde auf einem Papier gedruckt, welches unsereinem die Haare hochstehen lässt: Zeitungsrotationspapier, GSD in der richtigen Laufrichtung. Der ursprüngliche buchbinderische Aufwand hielt sich in Grenzen. Die Rückenbindung bestand aus einem dünnen Streiflein Heissleim und einem selbstklebenden Leinenklebeband, das die beiden 3mm-Graupappen zusammenhielt. Es ist mir bis heute nicht klar, durch welche Heissklebemaschine man ein über 90 cm breites Buch schicken kann.
Egal, den ollen Heißleim habe ich rückstandslos entfernen können und durch eine Lumbeck-Leimung ersetzt. Auch das Wiedereinsetzen in die originale Selbstklebeleinen-3-mm-Pappen-Deckenkonstruktion mit ihrer schönen Gestaltung durch den Künstler ist gelungen. Mit ein bisschen Improvisation und ein paar Leimzwingen aus dem Baumarkt steht das Monsterbuch auf seiner Leimfuge und trocknet nun still und starr, mindestens 8 Stunden.

  
91,3 cm Richard Tuttle müssen noch trocknen

91,3 cm Richard Tuttle sind getrocknet
und von allen Hilfs-Hilfsmitteln befreit

Dienstag, 28. Juni 2011

Shakerdosen optimieren

Damit müssen Sie rechnen, wenn Sie einen auf Krücken laufenden, beschaffungslogistisch auf ein Rücksäckchen begrenzten Hobby-Buchbinder einladen: Es gibt selbst gemachtes oder, wie hier, selbst optimiertes.
Das sind fertig gekaufte Spanschachteln „nach Art der Shaker”, gebogen aus amerikanischem Kirschholz-Span und fixiert mit winzigen Kupfernägelchen. Ich habe sie innen kaschiert, um ihnen ein wenig Biedermeier-Flair zu verleihen, schließlich sind die Einladenden allesamt Damen, die kleinem, feinem Schnickschnack recht wohlgesonnen sind. Ich finde die Dosen jetzt ganz hübsch und bestens geeignet, ein Perlenkettchen o.ä. standesgemäß aufzunehmen.
Links: Sprenkelpapier nach der Natur; Modell Kibitzei. Rechts: Sprenkelpapier nach der Natur; Modell Wachtelei_1. Oben: Handgeschöpftes polnisches Büttenpapier, gefärbt mit Rote-Beete-Rhabarber-Dicksaft (kein Witz, bitte!). Die Sprenkelpapiere stammen aus der Buntpapier-Manufaktur von Tanja Karipidis  und können dort bestellt werden. Die ovalen Schablonen hat mir mein Sohn freundlicherweise auf seinem Schneidplotter hergestellt.

Montag, 20. Juni 2011

Mühsam bewegt sich der Igel …

Hanns Iglers Radieschen futternder Igel













Des Hobby-Buchbinders zugewachsener Arbeitsplatz 
plus Geh-, Sitz- und Greifhilfen.




Mit dem Foto meines ‚Arbeitsplatzes’ und diesem amüsanten Detail aus der von mir antiquarisch erworbenen und reparierten Buchschmuck-Mappe habe ich mich heute ins Buchbinderleben zurückgeschlichen. Dabei müssen noch für rund 10 Wochen die Krücken (aka Gehhilfen) immer griffbereit sein,  ebenso wie eine Greifhilfe und ein lange ignorierter „Stitz”, der mir mein rückenoperationsbedingtes Arbeitsleben vor dem Stehpult über viele Jahre erträglicher machte. Also: » Martin Gerlach: Das alte Buch und seine Ausstattung vom XV. bis zum XIX. Jahrhundert, Buchdruck, Buchschmuck und Einbände, mit einem Vorwort von Heinrich Röttinger, in: Die Quelle, Mappe XIII, 1. Auflage (ca. 1910); «  mit 1376 ein-/zweifarbigen Abbildungen auf 74 doppelseitigen Buch- und Lichtdrucktafeln (ca. (30,5 x 26 cm).
Von der Original-Halbleinenmappe war nur noch die Rückenpappe mit einem winzigen Stück Bändchen vorhanden. Die Blätter waren teils gedunkelt und im Schnitt etwas unsauber (Gebrauchsspuren). Ein kritischer Blick durch die wunderschönen Abbildungen sagte mir, dass alle Blätter im Buchdruck einwandfrei, alle im Lichtdruck gedruckten stark gedunkelt sind, vor allem in der Druckfläche. Liegt das nun am Papier oder am Druckverfahren? Sei's drum. Ich habe die dringend benötigte Sammelmappe aus 2,5 mm Buchbinderpappe rekonstruiert und mit einem Regentleinenrücken versehen. Die Mappe habe ich mit einem hausgemachten Kleisterpapierbezug kaschiert; die Blätter der Schönheit wegen allseitig um 1/2 mm eingekürzt.

Und so sieht das Schätzchen jetzt aus.


Ein weiteres Detail aus der Mappe





Freitag, 6. Mai 2011

Buchbinden : Vom Rost im Buchrücken

Da komm' noch einer und behaupte, buchbinde-bloggen würde nicht bilden. Doch, doch, tut es und hier kommt ein Beispiel: Bei Peter Verheyens Buchbinder-Akut- und Aktuell-Blog tauchte der in angelsächsischen Gefilden gängige Begriff vom „german binding” auf, der mich erstaunte, kannte ich ihn noch nicht.
Als leidenschaftlicher Buch-Revitaliseur kommen mir natürlich viele der prachtvollen deutschen Bücher des mittleren und späten 19. Jahrhunderts auf die Arbeitsplatte - in unterschiedlichsten Stadien der Zerstörung. Abgesehen von schlecht behandelten Büchern und mürben Lederscharnieren finden sich darin augenscheinliche Beweise dafür, dass die beginnende industrielle Buchproduktion einerseits wg. weiter Verbreitung und günstiger Preise löblich und wg. nicht nachhaltiger Technik andererseits schädlich war. Schädlich vor allem für die Bücher selbst.
In diesen Jahrzehnten entstand - für Deutschland hauptsächlich in Leipzig - eine Buchtechnik auf damaligem allerhöchstem Niveau. Durch den verstärkten Einsatz von Holzschliff-Papier werden Archivare heute in den Wahnsinn getrieben, weil das Papier durch den hohen Säuregehalt vergilbt, bräunt, brüchig wird. Es zerfällt langsam und unaufhaltsam, wenn nicht rasch und konsequent gehandelt wird.
Den Buchwiederbeleber erwartet darüber hinaus eine Menge Arbeit zusätzlich, denn die damals inflationär eingesetzten Heftklammern müssen alle entfernt werden, bevor irgend etwas anderes angepackt werden darf. Die in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts erfundene Hefttechnik, Lagen mit eisernen Heftnadeln auf Gaze zu heften und mit dünnem Kraftpapier und Knochenleim zu stabilsieren, ist beim Entfernen mühevollste Arbeit: Aufbördeln, Lage öffnen, Heftklammer ziehen - und bloß keine übersehen.
Eisenklammern rosten beim geringsten Feuchtigkeitskontakt. Zahlreiche  Bücher wurden bereits mit Rost ausgeliefert, da auf die gehefteten und gerundeten Buchblocks ordentlich Leim gepappt wurde. Eine weitere Schwierigkeit war die gelegentlich geübte Technik, vorsorglich geheftete und stabilisierte Lagen zu Bündeln zusammenzufassen und diese dann durch (!) eine weitere Lage Gaze nochmals zu heften. Das bedeutet heute, erst die Bündel zu entklammern, zu reinigen und dann erst die Einzellagen zu bearbeiten.
Mir ist eine besonders perfide Klammer-Variante untergekommen: Tackernadeln aus Zink. Die sind kleiner und feiner und sehen immer gut aus, weil ja nicht rostig. Sie sind aber sehr sensibel und brechen meist schon ab, wenn man sie aufbördeln will.
Egal, diese gloriose Errungenschaft der Buchbindetechnik wird englisch „german binding” genannt. Und ihr sind schon viele schöne Bücher zum Opfer gefallen, weil das Neubinden aufwändig und teuer ist oder weil der Rost sich schon so weit vorgefressen hatte, das eigentlich nur noch Lumbecken helfen kann.
Link_1 http://www.flickr.com/photos/suzypictures/3798627580/
Link_2 http://www.flickr.com/photos/coffee-drinker/5257703181/in/set-72157625611311038/

Sonntag, 24. April 2011

Man glaubt es Baum : Buchbinders Augenschmaus

Man glaubt es Baum

Gelegentlich flattert einem naschhaften Internetz-Nutzer wie mir etwas aus der Heimatstadt über den Bildschirm, das mich wirklich erfreut. Dies ist so ein Beispiel: |:: http://www.buchmetamorphose.de ::|
Hier zeigt eine Papierkünstlerin, was aus armen, in Wühlkisten dahinvegetierenden oder auch frei zugelaufenen Antiquariatsbüchern werden kann, wenn man - wie sie - kreativ denkt, sorgfältig schneidet, geduldig faltet und  falzt. Ein bisschen Kleber gehört schon auch noch dazu. Das sind schöne Arbeiten geworden. Ich glaube, die kann man auch kaufen. Fragen Sie die Künstlerin!

Donnerstag, 14. April 2011

The Wyvern Bindery

Ich poste diese schöne Reportage aus East London (Hinweis von Ralf), weil „The Wyvern Bindery” ebenso pittoresk wie funktionstüchtig ist, der Chef sich selbst als „Gentleman bookbinder” bezeichnet, weil das Wyvern-Team auf mich den Eindruck macht, als ob es mitten im Geschäftsleben stünde und ja, weil dort der Nachweis geführt wird, dass victorianisches Buchbinder-Equipment allerbeste Dienste leistet. Auch wenn der hohe Rohmetallpreis das Herz jedes betriebswirtschaftlich gebildeten Abwrackers hoch schlagen lässt und ein Buchhalter bedenkenschwer sein vernachlässigtes Neuinvestitionshaupt wiegt, lasst uns die alten Maschinen hegen und pflegen, es gibt keine besseren. Und ja - siehe Bild 14 von oben - welche moderne Maschine hält dem Buchbinder den Tee warm, während er sich um typografische Feinheiten beim Prägen von Titel- und/oder Rückenschildern müht?
Also bitte, staunen Sie hier: http://spitalfieldslife.com/2011/04/14/at-

Freitag, 1. April 2011

Wer lacht da? Die Historie der Buchbinderei ist eine überraschend ernste Wissenschaft!

Der in Fachkreisen weithin für ein tiefschürfendes Weblog und seine sauscharfen Werkzeuge wohlbekannte Jeff Peachey < hier klicken > hat zur Feier des dräuenden Frühlings einen erhellenden Blick in seine buchbinderisch-historischen Forschungen erlaubt < hier blicken >. Er fand Bemerkenswertes, nämlich Beispiele für ganz frühe Exemplare elektrischer Rückenrundehämmer, u.a. auch aus neuerer deutscher Produktion.
So muss denn wohl auch ein Teil der jüngeren preussischen Geschichte neu formuliert werden. Bisher hieß es militärisch knapp: „The Germans to the Front!” Ab sofort heißt es buchbinderisch kurz: „The Germans to the Back”! Yavol! Mr. Green

Sonntag, 27. Februar 2011

No. 01 : Bound a book for the love of … ja, wie heisst „beraufter Buchblock” auf englisch?

Alles in allem bin ich o.k. und ich habe das Buchbinden nicht verlernt. Und jetzt möchte ich schrittweise zurück an die Arbeit. Erste Fingerübung war dieses Edelpappbändchen.

Schon seit längerem lag da das freundliche Geschenk (Alan Bennett - The Uncommon Reader) meines beruflich vielfliegenden Neffen auf dem Tisch. Ein in doitschen Landen unübliches Promotionsgeschenk eines Verlages, Motto: Kauf einen meiner Stapelkrimis, dann schenk ich dir was ordentliches dazu. Der Krimi ist schon weitergewandert (Vorsicht, freilaufende Bücher!), doch das Promo-Büchlein habe ich neu eingekleidete.
Denn das ihm zugewiesene Äußere, eine hochglanzlaminierte dünne Wappelpappe gefiel mir gar nicht, vor allem, weil der Buchblock berauft (!), also nicht beschnitten war und es nach der Bearbeitung auch noch ist. Nun strahlt die angelsächsische Novelle in einem Edelpappband bester hiesiger Qualität mit Tanjas handgemachtem Kleisterpapier im Traditionsdesign, versehen mit kleinen Lederstegen über ‚head & tail’ sowie winzigen Lederecken, handgemachtem Kapital, klassischem Vorsatz aus Roemerturm und einem tintenstrahl-bedruckten neuen Titelschild. Ich denke, das Bändchen wird sich zwischen meinen  Inselbüchern wohlfühlen.

 

Sonntag, 13. Februar 2011

IN MEMORIAM

Was ich habe, will ich nicht verlieren,
wo ich bin, will ich nicht bleiben,
die ich liebe, will ich nicht verlassen,
wo ich lebe, will ich nicht sterben,
wo ich sterbe, will ich nicht hin:
Bleiben will ich, wo ich nie gewesen.
(Thomas Brasch)






Erla  Zillig
geb. Preuschl von Haldenburg
Am 11. Februar 2011, einen Tag nach ihrem 67. Geburtstag,  ist meine großartige Erla ruhig eingeschlafen. Sie wurde von schweren Leiden und starken Schmerzen erlöst, die sie über so lange Zeit tapfer und mit großer Würde ertragen hat. Im tiefen Frieden mit sich und allen ihr Nahestehenden hat sie diese Welt für immer verlassen. 

Sonntag, 6. Februar 2011

Mit dem Kopf durch die Wand?

So pflegte mein alter Buchbinde-Guru Karl-Heinz Krons leise nachzufragen, wenn wir gelegentlich im Kurs etwas ‚eigenes’, kreatives oder sonstwie ungewöhnliches produziert hatten, welches dann aus uns gehobenen Anfängern unerfindlichen Gründen schiefgegangen war. Akzent liegt hierbei auf ‚schief’!
Als Mitglied einer Arbeitsgruppe habe ich mitgeholfen, das nachgelassene Oeuvre meines verstorbenen Künstlerfreundes Jörg Czischke in seinen Grundzügen aufzuarbeiten, um es einem breiteren Publikum bekannt zu machen. Czischkes wichtigste Werke und einige Ephemera wurden reproduziert, als Digitaldrucke auf kartonstarkem Bilderdruck produziert und in einer interessanten, neugierig machenden Archivmappe für Freunde, Journalisten, Galeristen, Archive zusammengestellt.  Schließlich war der Mann, zusammen mit seiner Lebensgefährtin und späteren Ehefrau, Margarethe Sabata, in der Kölner Kunstgemeinde der 60er und 70er Jahre aktiv unterwegs. Danach zog Jörg sich wegen einer schweren Erkrankung fast völlig aus der Öffentlichkeit zurück. (Anmerkung: Die Website wird im Laufe des Jahres aktualisiert.)
Weil ich a) ein Sturkopf und b) ein Buchbinder bin, habe ich mir (jetzt kommt das Colophon) die Seiten der Info-Mappe auf 120 g Bilderdruck ausprinten lassen, gelumbeckt, mit 3F-Gaze stabilisiert, Römerturm-Vorsatz geklebt, den Einband mit geradem Rücken aus 2mm-BuBi-Pappe und Kraftpapier gebaut und mit Original-Malertuch (von boesner) bezogen, das ich vor dem Kaschieren einmal mit einem matten Akryllack überpinselt habe.
Dann bekam der Einband eine identische Blindprägung wie die Original-Archiv-Info-Mappe, was keine Kunst war, denn ich habe nur diese eine Groteske. Ich hätte keine andere Type nehmen können, war Czischke doch in seinem beruflichen Vorleben ein präziser Typograph, gelernter Setzer.
Kopf durch die Wand, zum Ersten? Ja, ich musste feststellen, dass Malertuch (Leinwand) sich als Bezug nicht gut eignet, denn das Material zieht sich wie Strudelteig, trocken ebenso wie nass, das Zeug reagiert unberechenbar. Mein 2. Exemplar ist so verzogen, das gehört in die Tonne. Es taugt gerade mal dazu, das handgefertigte Kapitalbändch zu zeigen.
Kopf durch die Wand, zum Zweiten? Ja, dieses technisch hochbrilliante Bilderdruckmaterial für die Digitalkopien wird im Lumbeckrücken ziemlich steif und es knirscht hörbar, wenn man den Block zum ersten Mal öffnet. Da muss ich also bei weiterem Vorkommen noch üben.
Kopf durch die Wand, zum Dritten? Ja, mit einer zusammengestoppelten Fotoausrüstung eine Blindprägung auf einer fast weissen Fläche zu dokumentieren, ist auch kein wirkliches Vergnügen.
Aber schauen Sie selbst.