Donnerstag, 21. Februar 2013

Orangfarbene Register als Decke für Koperten

Als Jungpfadfinder hatte ich, wie jeder meiner Kumpels, einen lebensnahen Spitznamen, der mein wahres Selbst zum Horror meiner ordentlichen Damenschneider-Mutter realitätsnah widerspiegelte: „Sammeltasse”. Ja, ja! Mein dickster Freund, Heinz-Herbert R. wurde „Degga” gerufen; warum nur? Oder unser unwiderstehlicher Freund Rosenbaum fing sich unwiderruflich den Spitznamen „Zeisig” ein, weil er so schön falsch pfeifen konnte.
Sammeltasse also, denn ich konnte wirklich nix liegen lassen, was andere weggeworfen hatten. Ich  konnte alles gebrauchen. NZI, ich war kein Kleptomane, obwohl ich das Obst in den Gärten der grimmigen Opas in der Nachbarschaft schon mal dezimierte. Nein, ich besitze heute noch Relikte meiner kindlichen Sammelwut. Steine, Scherben, Schrauben, Nägel, Knöpfe, Treibhölzchen. Eines Tages fand ich, nachdem die anderen schon alle daran vorbeigelatscht waren, eine kleine frühgotische Steinrosette, die wohl ein Dieb auf der Flucht vor dem Küster der Kirche, in der wir unseren Schulgottesdienst zelebrierten, weggeworfen hatte. Der überaus fleischige Schulprälat, dem ich das Teil in die Hand drückte, hat mir so liebevoll väterlich meine gestutzten blonden Locken gestreichelt, dass ich meine im Hintergrund hemmungslos feixenden Kumpels, alle in Pfadfinderkluft, nur mühevoll davon abhalten konnte, mir einen neuen, unanständigen Spitznamen zu verpassen.
Sammeltasse zum Zweiten, also. Vor über 20 Jahren, als die ersten funktionstüchtigen PC bei meinem Arbeitgeber auftauchten, wanderten die bis dahin allseits genutzten Karteikästen in die Müllcontainer. Drei habe ich retten können. Die Karteikarten waren vollgestempelt, vielfach beschriftetet und mit Tippex verunstaltet, die mochte ich nicht retten. Die A6+ großen A-Z-Register-Karten im Querformat, hergestellt aus geölter, orangefarbener unkaputbarer Manilapappe, hatten es mir angetan. Sie überlebten, um von mir probehalber in eine Koperte umfunktioniert zu werden. Die Lagen innen habe ich aus einem Rest butterweichem Velin gefalzt. Sieht hübsch aus, lässt sich aber nicht so knackig heften. Ist wohl ein wenig überlagert.

Geölte Manilapappen sind selten geworden, jedoch vielfach zu verwenden.

Anyone some Zwischenpäppchen? A und Z sind schon weg.

Sonntag, 17. Februar 2013

Never stop learning, bookbinder!

Ach wie wohl ist dem, der dann und wann noch etwas Schönes lernen kann. (Ahem!) Vor allem, wenn er - so wie ich - sehr ungern nur aus Büchern lernt. Lerning by doing ist meine Sache, denn beim Zuschauen lerne ich am schnellsten. Ein paar mal zu Hause nachgebaut und das neue Buchbinde-Thema hat seinen Schrecken verloren. Diesmal interessierte mich der Kurs „Koptische Bindung” bei Roger Green in Wuppertal, der instruktiv und spaßig war - wie immer, wenn Roger in seinem Wuppertaler Gewerbequartier und ländlicher Ruhe am Wochenende einen Kurs gibt.
Zu den Koperten fällt mir spontan ein, dass die - und die berühmte 1-2-Lagen-Technik der Nag-Hamadi -Funde mit die ältesten Buchbindetechniken sind. Erforscht und dokumentiert sind erstaunlich gut erhaltene, leimfreie Bücher aus den ersten Jahrhunderten nach Chrsti Geburt. Es muss also was dran sein an der Näh-/Heftkunst der Äthiopischen Mönche, der Aramäer und vieler arabischer  Menschen rund um das Mittelmehr. 
Darüber hinaus wurde mir klar, dass ein Buch in koptischer Bindetechnik aussieht als ob seine Herstellung keine Mühe machen und das Heften recht einfach wäre. Beides täuscht. Äußerlich ist alles ganz einfach; in der Ausführung jedoch sind minimale Details von großer Bedeutung und wichtig für Schönheit und Funktionalität. 
Dann möchte ich noch anmerken, dass die historische Bindetechnik, und das beweist auch ein kurzer Besuch auf etsy und dawanda, der Phantasie von Amateuren und Profis bei der Wahl des Materials keine Grenzen setzt. 
Im Gegensatz zu einem Blogger, der bedauernd schrieb: Während […] christliche Mönche vorwiegend Gebetbücher mit dieser Bindung herstellten, wird heute […] nur noch von wenigen Handbuch- und Hobbybuchbindern angewendet, um Fotoalben, Notizbücher oder andere kunsthandwerkliche Bücher herzustellen.”  behaupte ich: Es werden immer mehr! Schau dir mal an, was im englischsprachigen Raum ‚abgeht’

12 Koperten, 6 Teilnehmer_innen, 2 halbe Tage Lernarbeit

Der Meister himself korrigiert unter dem kritischen Blick der Schülerin
die Heftung der berüchtigten „letzten Lage”.