Samstag, 25. Oktober 2008

Altes Eisen: Schärfmesser wiederentdeckt


Mein Freund Ralf :: Link :: hat in seinem Blog großen Spaß mit der Rubrik „Found in a Box”. Dem schließe ich mich an. Und das kommt, der Reihe nach, so: Vor ein paar Tagen hatte ich den „buechertiger” :: Link :: zu Besuch und zeigte ihr beiläufig, wie ich nach einem von mir so genannten „System Green” mein Buchbindeleder schärfe. Zu Hause machte Hilke in einer Druckpause Schärfversuche an einem Stückchen Leder mit einem spitzen Messerchen. Dieser mutige Selbstversuch veranlasste mich zu einem ironischen Kommentar, dessen ausgelöste Irritation inzwischen bereinigt, äh, ausgeschärft wurde. Und damit ist mir wieder der Loop zum Thema gelungen ;–)
Leder schärfen gehört IMHO zu den schwierigen Tätigkeiten eines Hobbybuchbinders und wird mit entsprechendem Mißtrauen angegangen, schließlich ist Leder teuer. Eine Möglichkeit ist die von Roger Green :: Link ::präsentierte Technik für Amateure, mit Hilfe bestimmter X-Acto-Knifes Kanten zu schärfen und den Rest geschickter Einkaufspolitik von dünnem Leder bzw. scharfem Schmirgeln zu überlassen.
Während einer langen, erfolglosen Suche nach einer bestimmten Broschüre - fielen mir, getarnt in einem unansehnlichen Plastiktütchen und in einer Archivbox dösend, zwei merkwürdige Eisenklingen in die Hände. Sofort war mir klar, das sind Schärfmesser, da ich die lesenswerten und gut bebilderten Ausführungen des amerikanischen Spezialisten Jeff Peachey :: Link :: noch vor Augen hatte. Die Klingen hatte mir eine Freundin meiner Mutter vor gut 15 Jahren geschenkt, als sie von meinem Hobby erfuhr. Die alte sächsische Dame ließ sich lediglich zu der Information verleiten, sie hätte mit den „Dingern Leder geschnitten (!)”. Sie hat aber mit keiner Silbe das Lederschärfen erwähnt.
Ich zog also meinen alten Arkansas-Wasserstein hervor, habe darauf die Klingen langsam geschärft und an zwei Stückchen Leder ausprobiert. Ha, die schneiden wie der Teufel, das etwas ‚standigere’ Ziegenleder ebenso wie das butterweiche Schafleder. Innerhalb einer halben Stunde hatte ich eine Fläche von ca. A5 auf Null runtergeschärft. Damit mir zukünftig die Finger nicht mehr so schmerzen, habe ich eine Klinge mit einem Lederschnürriemen und die andere mit finnischer Papierschnur umwickelt. Soviel Luxus muss sein. Messer-Aestheten werden mir verzeihen, dass ich keine Rochenhaut verwendet habe, denn die war gerade „aus”.
Für die, die es genau wissen wollen: Die Klingen sind graviert/gepunzt: Tina 211, 10 mm.

Mittwoch, 22. Oktober 2008

Buchfund: Gestalten mit Papier von Karl Heinz Krons


Von Karl Heinz Krons, meinem ‚alten’ Buchbindeguru (Jahrgang 1926), erschien 1976 bei Dumont in der Reihe Kunst-Taschenbücher ein 212 Seiten starkes Buch über die Gestaltungsmöglichkeiten mit Papier, das - völlig zu Unrecht - von der Bildfläche verschwunden ist. Kurzer Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis: Geschichte des Papiers und kleine Papierkunde; Gestalten mit Papier: Papier-Reliefs, Plastisches Gestalten durch Falten, Schneiden, Umklappen, Stereometrische Hohlplastik, Schicht-Plastik, Klebe-Plastik, Anleitung zu selbstgeschöpftem Papier, Gautschen, Lexikon, Abbildungsnachweis, Sachregister, Literatur. Selbst mir als seinem dankbaren Schüler war dieses Buch nicht bekannt. Darauf hingewiesen hat mich der Leiter der Palette, Eberhard Maurer, selbst Hobby-Buchbinder und Gastgeber der am kommenden Sonntag stattfindenden Buchbindermesse. Dafür sei auch ihm gedankt. Und jedem, der sich für das Thema ‚Gestalten mit Papier’ interessiert, sei das Büchlein ans Herz gelegt. Meines habe ich antiquarisch bei ZVAB :: Link :: bestellt. Die Spuren eines langen Taschenbuchlebens sind sichtbar, halten sich in Grenzen, trotzdem habe ich mich sehr gefreut als es heute in der Post war. 
P.S.: Kurzinfo Karl Heinz Krons: Geb. 1926, studierte Pädagogik und Kunstgeschichte, Schuldienst, Lehrerausbilder, Erwachsenenbildung, Volkshochschule Köln, Spezialgebiet ‚Papier als Gestaltungsmittel’.
P.P.S.: Aus meiner persönlichen Meinung über den bürokratischen Teil einer öffentlichen Einrichtung wie der VHS zu Köln mache ich keine Mördergrube mehr, dafür haben die schon zu viel Gebühren und Steuern sinnlos vertilgt. Niemals werde ich vergessen, wie schofel der unqualifizierte Abgesandte aus der Zentrale vor allen Kursteilnehmern Herrn Krons behandelt hat, ohne auch nur den Versuch zu machen, seine Hände aus den Taschen zu nehmen.

Mehlsackbuch №1




Alte Textilien können ihren eigenen Charme entwickeln, so sie noch nicht in haptischen, olfaktorischen oder anderen Verfall übergegangen sind. Altes Leinen hat es mir besonders angetan, seitdem ich bei Freunden und auch bei österreichischen Tandlern Stücke des herrlich glatten und kühlen Stoffes bewundern durfte. Bei einem Wiener Buchbinder :: klick :: fand ich die Anregung, daraus Bezugsstoff zu machen und Bücher einzubinden. Ortbauers verwendete Mehlsäcke sind besonders alt, edel und wunderschön. Allerdings gelang es mir nicht, einen solchen unter 200 € (!) zu finden - weder auf den Flohmärkten noch bei ebay. Doch da habe ich - unter anderem - diesen knackig blau-natur-gemusterten Getreidesack ersteigert. Billig war er nicht, er reicht aber aus, um einige Bücher damit einzuhüllen. 
Ob eine bäuerliche Großmutter aus einem Tisch- oder Betttuch den Getreidesack (für Mehl scheint er mir nicht dicht genug zu sein) genäht hat oder ob der Sack direkt vom Ballen abgemessen und von Hand mit doppeltem Leinenzwirn genäht wurde, kann ich nicht sagen. Jedenfalls wurde er viel und oft gewaschen, wodurch er sehr geschmeidig geworden ist.
Die aus handgesponnenem Garn handgewebte ca. 50 cm breite Bahn ist nach dem Auftrennen der Nähte gut 2 m lang. Ich habe das Leinen rückseitig mit 20 g/qm Japanpapier gegenkaschiert, danach ließ es sich mit ein paar Tricks und noch mehr Geduld verarbeiten: (M)eine Erkenntnis ist, dass es mindestens eine 2 mm-Pappe der besten Qualität sein muss, weil das Material kraftvoll einzieht. Als Ausgleich auf der Innenseite musste ich eine 0,8 mm-Pappe aufpappen, um zu einer glatten Fläche zu kommen. Mein Mehlsackbuch №1 hat die Maße 22 x 32 x 1,5 cm. Den Block habe ich aus Boesners Silberburg off white 110 qm einmal gefalzt auf 3 Bünde geheftet, so hat das Buch einen allseitigen echten (!) Büttenrand. Als Vorsatz habe ich mir dieses jeansblaue 90 g/qm Zerkall Maschinenbütten aus der Schublade gezogen, das ich gerne als Vorsatz einsetze, weil mir die Buchbinder-Standard-Vorsatzpapiere zu fad sind.

Dienstag, 21. Oktober 2008

Falzbeinschubser-Treff am 26. 10. 2008


Vielen Hobby-Buchbinderinnen und -Buchbindern hängt der Ruf der Schüchternheit und der Zurückgezogenheit an. Das stimmt nur bedingt und liegt nicht zuletzt an mangelnden Gelegenheiten und Räumlichkeiten. Nach dem erfolgreichen Vernetzen im WWW und gelegentlichen persönlichen Kontakten möchten wir nun den Besuchern der Kölner Buchbindermesse  (Sonntag, 26. Oktober 2008, Palette, Lüderichstrasse 8), eine Gelegenheit bieten, die digitalen Bekanntschaften in der realen Welt zu pflegen. Dazu wird uns in der Kantine der Palette ein Tisch reserviert, an dem wir uns zusammensetzen können. Die Örtlichkeit im Erdgeschoss ist nicht besonders groß, aber damit niemand herumirren muss, wird der Tisch durch ein rotes Fähnchen gekennzeichnet sein. Stellvertretend für die inoffizielle Vereinigung der rheinisch-palantinischen Falzbeinschubser freue ich mich jetzt schon auf meine ‚alten’ Bekannten und viele ‚neue’ Gesichter.

Montag, 20. Oktober 2008

Aus dem Chaos ins Regal: Fachliteratur


Dieser Tage habe ich wieder einmal genau das gefunden, nach dem ich nicht gesucht hatte: Eine Broschüre, die ich vor, ja, Jahrzehnten, bei einem der Lieferanten meines Arbeitgebers „abgestaubt” habe. Wahrscheinlich hat der Sachbearbeiter in der Druckerei sich lieber die Broschüre vom Herzen gerissen, als ständig meine rissigen Fragen zu beantworten: „Lesense mal, junger Mann, dann reden wir weiter.” In dem Alter waren mir Schachteln, neue oder alte, ziemlich suspekt. Da konnte man wüste Überraschungen erleben: „Der von Ihnen ausgewählte Karton läuft nicht.”  „Die Glanzlackierung blättert ab!”  „Ein' teartape wollense, ui, das kostet aber” … usw. usw. - Bedenkenträger aller Orten.
Titel des 1967 datierten, hochglanzlaminierten 48-Seiten-Druckwerks aus der Feder eines Stephan Engel vom Fachverband Faltschachtelindustrie e.V. aus Offenbach am Main ist „Praxis der Faltschachtel-Formen und -Zuschnitte”. Es werden über 80 Zuschnitte von sog. Ritzschachteln mit ihren teils abenteuerlichen Grundriss-Zeichnungen abgebildet. Ziel dieser Konstruktionen war natürlich die Massenverarbeitung in hohen Auflagen und rasender Geschwindigkeit für die Konsumgüter. Aber warum sollte der kleine Hobbyist mit seiner liebevollen buchbinderischen Einzelanfertigung nicht vom ganz großen industriellen Vorbild lernen. Ein einfach nachzuvollziehendes Beispiel ist das Schlichtmodell oben. Die komplexen Modelle erspar ich Ihnen, Sie könnten sonst die Motivation verlieren.