Montag, 26. Februar 2018

Paris 1900 Französische Plakatkunst … rebindet

Paris 1900 war der Titel der Buchruine, die ich in einer aufgegebenen Werkstatt fand, durch deren Ritzen in den Wänden munter der Wind pfiff. Wie das Buch ursprünglich aussah, die Decke war nicht mehr vorhanden, dafür sorgte dann Dr. Google. Dort zeigte man mir einen mittelblauen Leinenband mit dunkelblauer Schrift und einem knalligen Schutzumschlag - eine feine Achtziger-Jahre-Anmutung. Ohne Buchdecke, Schutzumschlag, beschädigtem Vor- und Nachsatz musste ich nicht vorsichtig reparieren, ich konnte mich austoben und mir ein persönliches, individuelles Nachschlagewerk schaffen. Es zeigt eindrucksvoll, wie die Moderne in der Gebrauchs-/Massen-Grafik in Europa gloriosen Einzug hielt.
Das großformatige Buch (34 x 24,5 cm, ca. 2 kg schwer), eine Sonderausgabe von 1991 für eine Buchgemeinschaft lizensiert, ist eine Sammlung ganz hervorragender Reproduktionen der ursprünglichen mehrfarbigen Steindrucke auf Original-Kunstdruck. Ich habe die Ruine etwas  genauer untersucht und fand - keine Stockflecken! Dem Durchzug am Fundort sei Dank. Allerdings sind 11 der Abbildungen, die einzeln eingeklebt waren, abgelöst worden, beispielsweise die von Alfons Maria Mucha. Das war mir egal, denn seinen ein wenig süsslichen Stil mag ich nicht wirklich.
Für die Lücken entschädigt mich der überaus sach- und fachgerechte Begleittext vom Autor Hermann Schardt, einem namhaften Graphiker, Maler, Direktor der Folkwangschule und Publizisten.
Er hat jede einzelne der abgebildeten Farb-Lithografien sehr detailreich beschrieben. Da fehlt nichts; jede Originalfarbe wird aufgezählt. Für mich, der ich dieses Buch nicht kannte, ein Genuss und Gewinn zugleich.
Was habe ich gemacht? Ich habe die alte maschinelle Fadenheftung und die Rückengaze mühsam  entfernt, die vielen winzigen Leimspuren außen an den Heftlöchern geglättet und ein paar kleinere Risse in den Lagen repariert. Damit die fehlenden Abbildungen mich nicht beim Blättern stören, habe ich sie mit den ihnen gegenüber liegenden obsoleten Textseiten fein eingepappt und zusammengeklebt. Ich habe einen neuen Vor- und Nachsatz in bester franz. Manier angeklebt und mit Japanpapierstreifen um die erste und letzte Lage fixiert. Dann habe ich auf Maschinen-Köperband geheftet, die vorhandenen Löcher nutzend; es waren schließlich genug davon da.
Bevor ich die Decke machte, habe ich mit einem vorsichtigen 1-mm-Rasierschnitt wieder einen sauberen Buchschnitt hergestellt. Die Pappen habe ich mit ungebleichtem Buchbinderleinen bezogen und dem Block kräftige Lederkapitale in Gelb und eine starke Hülse angepasst. Vielleicht kriegt das Buch noch einen Schuber - on verras (oder so).




Passend zum aktuellen Wetter - ohne Schal geht gar nichts.