Montag, 22. November 2010

Buchbinden : Sparsam sei der Buchbinder …

… und unerschrocken in der Wahl seiner Mittel
Feines Werkzeug liebe ich sehr, manchmal auch so sehr, dass ich für einzelne Teile ‚Schulden’ gemacht habe. Weil ich, buchbindermäßig gesehen, nahezu alles besitze, was gut, nützlich und, ja, teuer ist, beschränke ich mich in den letzten Jahren darauf, mehr über Werkzeugschätzchen zu lesen als sie zu kaufen. Eine der schon öfter zitierten Quellen meiner geheimen Lüste ist der  blog von Jeff Peachey. Der Mann ist nicht nur ein erstklassiger Buchbinder, akademisch vernetzter Buch-/Papierrestaurator, Werkzeug-Historiker (im tiefen Sinne des Begriffes), sondern auch ein in Fachkreisen bekannter Hersteller von feinen und feinsten Buchbinder-Werkzeugen.
Sein letzter post beschäftigt sich mit klassischen ‚Heftladen’
Er hat die gängigsten, online zu erwerbenden Modelle, recherchiert und die Hinweise mit Links versehen. Dort kann sich der Material-Ästhet richtig austoben; ich sage nur Shaker-Qualität. Es bestätigt sich auch hier mein Vorurteil, dass ich in USA alles, wirklich alles kaufen kann, selbst das, was sich in Deutschland nur noch schwer oder gar nicht beschaffen lässt: Werkzeug der Marken ‚Kaufen und Wegschmeissen’, ‚Bewährte Industrie-Qualität’ und ‚Fantastisch/unübertrefflich Handgemachtes’.
Ich hingegen schäme ich dreifach: Ich nutze meine Heftlade noch nicht einmal als Dekostück, sie lebt staubsicher im Dachgeschoss-Exil. Die beiden wunderschönen Heftladen in der Behindertenwerkstatt palette wurden zu ihrem Schutz in ein Hochregal nach oben verbannt. Und dann finde ich auch noch, ganz im Sinne meines alten Buchbindegurus Karl Heinz Krons, der seine Schüler zur absoluten Sparsamkeit erzog, mit Ausnahme des Werkzeugs, natürlich, den gar putzigen Einfall, einen Stuhl als Heftrahmen zu nutzen.
Quelle: Ruth Zechlin, Werkbuch für Mädchen und für alle, die Freude am Werken haben, S. 274, Bild 1006, 25. Auflage, Otto Maier Verlag Ravensburg, 1961 (Ersterscheinung 1932). (Anmerkung pz: Die alte Zechlin, eine renommierte Professorin für Werkpädagogik, war eine unglaublich rührige ‚Kampfbastlerin’. Sie hatte ihr philosophisches Fundament in der bündisch-/gewerkschaftlich-/sozialistischen Jugendbewegung zu einer Zeit, als es ernsthaft ehrenrührig war, nichts zu wissen bzw. nichts zu können oder, noch schlimmer, nichts lernen zu wollen. Weiteres zu Frau Zechlin bitte ich selbst zu ergoogeln.)


Ein Nach- und Schlusssatz ist nötig, damit kein falscher Eindruck entsteht. Ich bin nicht nur in feines Werkzeug, edles Material und beste Verarbeitung verliebt. Ich liebe Improvisationen, die in einer vorgegebenen Situation mit kleinem oder gar keinem Geld eine solide Lösung bieten.

HinweisKarl Heinz Krons, Gestalten mit Papier, Dumont Taschenbuch, Köln 1976; darin enthalten: zahlreiche Abbildungen und sinnvolle Anleitungen, nicht nur für BastlerInnen, sondern auch für Menschen, die in der Therapie oder an Schulen vielerlei Richtungen arbeiten. Beim Krons finden Sie Anregungen ohne Ende. Das Büchlein ist nur noch antiquarisch zu haben, es wurde leider nicht mehr nachgedruckt.