Sonntag, 18. Januar 2015

Die Märchen der Brüder Grimm in der Urform

90 Jahre Buchkunst ·
Präsent wie am ersten Tag *)

Nebel-Sonntag-Archivkisten-Fund: Die Märchen der Brüder Grimm in der Urform. Nach der Handschrift von Franz Schultz; Zweite Jahresgabe der Frankfurter Bibliophilen-Gesellschaft 1924; gedruckt in der Breitkopf-Fraktur von Gebr. Klingspor, Offenbach, Exemplar 136 von 155. Alle Exemplare gingen an im Druckvermerk namentlich genannte Empfänger. Holzschnitte von Willi Harwerth in Mehrfarbendruck. 
Um den Originaltext zu lesen und gelegentliches Unverständnis abzubauen, empfiehlt sich der Blick in das Wörterbuch der Brüder Grimm, welches [ hier ] kostenlos und online zur Verfügung steht. 
Technisch ist das Büchlein, mal abgesehen davon, dass es „altersbedingt gebräunt ist” und „im Schnitt etwas unfrisch” ist, innen tadellos in Ordnung. Gedruckt auf einem handgeschöpften Bütten (ohne Wasserzeichen) sind Schrift und die Schnitte absolut brilliant. Der Kopfschnitt wurde gelb gefärbt, die restlichen drei Seiten sind original Büttenrandig und nur gelegentlich berauft. Das Papier ist nahezu klanghart, eine heute noch sehr selten zu findende Qualität. 
Der Buchbinder hat auch ganze Arbeit geleistet und das Buch als veritablen Edelpappband mit Pergament-Kapital- und Ecken-Verstärkung ausgestattet. Von den Pergament-Ecken sind gerade mal 2 mm zu sehen. Natürlich wurden die Kapitale mit einer hauchfeinen Seide handgestochen. 
Leider ist das bedruckte Material der Titelseite stark gedunkelt und mir scheint, dass die wirtschaftlich schwierigen Zeiten (1924!) auch in der Wahl der Einbandpappe und des verwendeten Klebers heute ihre Spuren deutlich sichtbar machen.
Aber was soll das Genöle: Das kleine Buch lebt, ist hervorragend zu lesen und die Illustrationen sind entzückend. Ich habe ihm einen säurefreien Einschlag verpasst und einen guten Platz im Regal zugewiesen.
*) P.S.: Ich musste nicht mit Photoshop nachhelfen. Der Standart-Scan gibt den Original-Zustand 1:1 wieder.