Diesen Kurs hatte ich mir schon lange gewünscht: „18th century French Binding Structures in Montefiascone”, von und mit Jeff Peachey. Alles in allem war und bin ich von meinem Sommerabenteuer total begeistert. Selbst als alter Hase konnte ich vieles lernen. Das lag nicht zuletzt an dem interessanten Thema und dem gestrengen Kursleiter, der aber keine Frage unbeantwortet ließ.
Buchbindetechnik in vorrevolutionären Zeiten bedeutete auch, vorbereitend die ‚einschlägige’ Literatur zu lesen, mich während des Kurses auf 12–13 individuelle englischen Sprachmelodien und -denkweisen einzustellen und, zurück in Köln, mir einen Hammer zu besorgen.
Jeff Peachey, hatte den Teilnehmern neben einer Liste für das mitzubringende Buchbindewerkzeug auch eine liebevoll zusammengestellte Literaturliste zugeschickt, die, logisch, englischsprachige Titel enthielt. Einiges besitze ich schon seit längerem im Original, bzw. in englischsprachigen Nachdrucken (Dudin etc.). Auch mein Diderot ist ein Nachdruck, der die wunderschönen Tafeln großformatig zeigt. Die Tafeln im englischen Dudin-Nachdruck sind dagegen grässlich, geradezu eine Zumutung.
Weil mein Englisch ist nicht so gut ist, dass ich die vorgeschlagene (semi-)wissenschaftliche Literatur locker abarbeiten könnte, musste ich mich durch die einschlägigen deutschsprachigen Autoren und die deutschen Übersetzungen googeln. Ich wurde schnell fündig. Eine meiner amüsanten Lesefrüchte habe ich bereits :: hier :: gepostet. Darüber hinaus ist der eine oder andere Literaturhinweis nur mit großen Schwierigkeiten zu beschaffen oder nur teuer zu erwerben.
Zum Kursgeschehen bleibt mir zu sagen, dass ich mich richtig wohl gefühlt habe. Die Atmosphäre in dem alten Gemäuer am Rande dieser ehrwürdigen Stadt war einfach herrlich. Meine Mitstreiterinnen und -Mitstreiter waren alle durchwegs eine Generation jünger als ich. Was ich von Jeff und von ihnen gelernt habe, ist für meine weitere Arbeit interessant und wichtig. Fast alle waren sie gut ausgebildete Profis an der Schwelle ihrer beruflichen Karriere oder auf dem Sprung in die Welt der Restaurierung und des Buchbindens.
Und jetzt zum Hammer, oder das, was ich dafür gehalten habe. Wie bereits erwähnt, ist Jeff ein gestrenger Lehrer, auch was das Werkzeug anlangt. Die Qualität seiner restauratorischen und buchbinderischen Arbeiten ist über jeden Zweifel erhaben, technisch und ästhetisch. Seine selbst entwickelten oder optimierten Werkzeuge, beispielsweise seine Lederschärfmesser, sind legendär.
Im Kurs demonstrierte er, auch an Hand von historischen Büchern, wie und mit welchem Effekt Bücher mit dem Hammer zu bearbeiten sind: Die gefalzte einzelne Lage, der zusammengetragene Stapel und, nicht zu vergessen, die Pappen für den Einband.
Wer Diderot und Dudin und ihrem Protagonisten, Jeff Peachey, nicht recht Glauben schenken mag, dem zitiere ich den Herrn Dr. H. Leng nach seinem Lehrbuch der Gewerbskunde, erschienen 1834: „ … ein Buch, das 20 Minuten zum schlagen erfordert …”.
Zum Vergleich: Vor und nach dem Schlagen der Lagen http://tinyurl.com/995gtc9
Leider gibt es beim Nachempfinden der Schlagtechnik ein Problem, denn solche „beating hammer” gibt es nicht mehr, selbst in Museen sind sie rar. Also behilft sich der flexible Buchbinder mit einem Schusterhammer, so wie ich. Dieses Teil deutsch/französischer Herkunft wurde misstrauisch beäugt und wg. verschiedener Gebrechen verworfen. Der in Ehren gealterte englische Schusterhammer von 545 g, wie ihn mein Tischnachbar von der Oxford-Library benutzte, stand nun ganz oben auf meiner Wunschliste. Mit diesem Hammer ließe sich ganz wunderbar arbeiten.
Mir einen solchen zu beschaffen entpuppte sich als ein nahezu aussichtsloses Unterfangen. Wo immer ich angefragt habe, hieß es: Nicht lieferbar! Nachlieferung ungewiss. Eine Quelle in den USA könnte liefern, doch scheue ich die fast 30 $ Versandgebühr. Gestern Nacht war ich dann mit meinem 14. Versuch auf ebay endlich erfolgreich. Für £14,72, einschl. Versand, gehört der Hammer jetzt mir. Und für das Schlagen im gröberen Umfang (mit großer runder, balligen Schlagfläche usw.) habe ich auch schon eine japanische Lösung in Aussicht. Nun denn: „Aufwärts zur vor-revolutionären Buchbindetechnik”!