Samstag, 15. September 2012

Buchbinden - wie in vor-revolutionären Zeiten


Diesen Kurs hatte ich mir schon lange gewünscht: „18th century French Binding Structures in Montefiascone”, von und mit Jeff Peachey. Alles in allem war und bin ich von meinem Sommerabenteuer total begeistert. Selbst als alter Hase konnte ich vieles lernen. Das lag nicht zuletzt an dem interessanten Thema und dem gestrengen Kursleiter, der aber keine Frage unbeantwortet ließ.
Buchbindetechnik in vorrevolutionären Zeiten bedeutete auch, vorbereitend die ‚einschlägige’ Literatur zu lesen, mich während des Kurses auf 12–13 individuelle englischen Sprachmelodien und -denkweisen einzustellen und, zurück in Köln, mir einen Hammer zu besorgen.
Jeff Peachey, hatte den Teilnehmern neben einer Liste für das mitzubringende Buchbindewerkzeug auch eine liebevoll zusammengestellte Literaturliste zugeschickt, die, logisch, englischsprachige Titel enthielt. Einiges besitze ich schon seit längerem im Original, bzw. in englischsprachigen Nachdrucken (Dudin etc.). Auch mein Diderot ist ein Nachdruck, der die wunderschönen Tafeln großformatig zeigt. Die Tafeln im englischen Dudin-Nachdruck sind dagegen grässlich, geradezu eine Zumutung. 
Weil mein Englisch ist nicht so gut ist, dass ich die vorgeschlagene (semi-)wissenschaftliche Literatur locker abarbeiten könnte, musste ich mich durch die einschlägigen deutschsprachigen Autoren und die deutschen Übersetzungen googeln. Ich wurde schnell fündig. Eine meiner amüsanten Lesefrüchte habe ich bereits :: hier :: gepostet. Darüber hinaus ist der eine oder andere Literaturhinweis nur mit großen Schwierigkeiten zu beschaffen oder nur teuer zu erwerben. 
Zum Kursgeschehen  bleibt mir zu sagen, dass ich mich richtig wohl gefühlt habe. Die Atmosphäre in dem alten Gemäuer am Rande dieser ehrwürdigen Stadt war einfach herrlich. Meine Mitstreiterinnen und -Mitstreiter waren alle durchwegs eine Generation jünger als ich. Was ich von Jeff und von ihnen gelernt habe, ist für meine weitere Arbeit interessant und wichtig. Fast alle waren sie gut ausgebildete Profis an der Schwelle ihrer beruflichen Karriere oder auf dem Sprung in die Welt der Restaurierung und des Buchbindens. 
Und jetzt zum Hammer, oder das, was ich dafür gehalten habe. Wie bereits erwähnt, ist Jeff ein gestrenger Lehrer, auch was das Werkzeug anlangt. Die Qualität seiner restauratorischen und buchbinderischen Arbeiten ist über jeden Zweifel erhaben, technisch und ästhetisch. Seine selbst entwickelten oder optimierten Werkzeuge, beispielsweise seine Lederschärfmesser, sind legendär. 
Im Kurs demonstrierte er, auch an Hand von historischen Büchern, wie und mit welchem Effekt Bücher mit dem Hammer zu bearbeiten sind: Die gefalzte einzelne Lage, der  zusammengetragene Stapel und, nicht zu vergessen, die Pappen für den Einband. 
Wer Diderot und Dudin und ihrem Protagonisten, Jeff Peachey, nicht recht Glauben schenken mag, dem zitiere ich den Herrn Dr. H. Leng nach seinem Lehrbuch der Gewerbskunde, erschienen 1834: „ … ein Buch, das 20 Minuten zum schlagen erfordert …”.
Zum Vergleich: Vor und nach dem Schlagen der Lagen http://tinyurl.com/995gtc9
Leider gibt es beim Nachempfinden der Schlagtechnik ein Problem, denn solche „beating hammer” gibt es nicht mehr, selbst in Museen sind sie rar. Also behilft sich der flexible Buchbinder mit einem Schusterhammer, so wie ich. Dieses Teil deutsch/französischer Herkunft wurde misstrauisch beäugt und wg. verschiedener Gebrechen verworfen. Der in Ehren gealterte englische Schusterhammer von 545 g, wie ihn mein Tischnachbar von der Oxford-Library benutzte, stand nun ganz oben auf meiner Wunschliste. Mit diesem Hammer ließe sich ganz wunderbar arbeiten.
Mir einen solchen zu beschaffen entpuppte sich als ein nahezu aussichtsloses Unterfangen. Wo immer ich angefragt habe, hieß es: Nicht lieferbar! Nachlieferung ungewiss. Eine Quelle in den USA könnte liefern, doch scheue ich die fast 30 $ Versandgebühr. Gestern Nacht war ich dann mit meinem 14. Versuch auf ebay endlich erfolgreich. Für  £14,72, einschl. Versand, gehört der Hammer jetzt mir. Und für das Schlagen im gröberen Umfang (mit großer runder, balligen Schlagfläche usw.) habe ich auch schon eine japanische Lösung in Aussicht. Nun denn: „Aufwärts zur vor-revolutionären Buchbindetechnik”! 

Dienstag, 11. September 2012

Untrennbar: Buchbinden & Buntpapier

Kleisterpapier von Tanja, Bucheinband und schiefes Foto von  mir


Bei meiner Buchbinde-Freundin Tanja Karipidis kommen zwei Komponenten zusammen, die mich mutig machen, ihre Arbeit, sprich ihr Produkt Buntpapier nach wie vor uneingeschränkt weiterzuempfehlen. Können und Erfahrung, das ist Komponente Nr. 1; Komponente Nr. 2 ist ihre nimmermüde Bereitschaft, auch über ihren Sprengel Erlangen hinaus, ihr Wissen und - so es geht - ihr Können weiterzugeben.
Leider ist es - nach Aussage von Tanja und nach meiner persönlichen Erfahrung - schwierig, Teilnehmer an Workshops zum Thema Kleisterpapier zu aktivieren. Liegt es an den Entfernungen, an den Kosten oder gar daran, dass „Kleisterpapier” eh ein jeder schon kann?  Oder liegt es daran, dass die Bereitschaft, Neues zu erlernen oder Gekonntes zu vertiefen, gar zu verfeinern, in unseren Breiten nicht sehr verbreitet ist?
Bisher war der hohe Norden von zwei in Hamburg ansässigen, wohlbekannten Buntpapiererinnen bestens versorgt; die Mitte und der Süden blieben überwiegend Diaspora.
Tanja Karipidis bietet nun für Buntpapier-Freundinnen und -Freunde oder solche, die es noch werden wollen, eine Reihe von Kursen an, die ich wärmstens empfehlen kann. Doch lesen Sie selbst:

=> Workshops 2012

22. und 23. September 2012
Buntpapier-Manufaktur
W335002
Sa 10–16 Uhr und So 10–16 Uhr
Altstädter Kirchenplatz 6, 91054 Erlangen
Anmeldung unter vhs-erlangen.de

3. und 4. November 2012
Buntpapier-Manufaktur
Workshop - Nr. 44.2012
Sa 10–18 Uhr und So 9–16 Uhr

Papiermühle Homburg, Gartenstraße 7, 97855 Homburg/Main
Anmeldeformular anfordern bei manufaktur@buntpapier.eu

10. und 11. November
Kleisterpapier – nach Herrnhuter Art bis modern
Workshop - Nr. 45.2012
Sa 10–18 Uhr und So 9–16 Uhr

Papiermühle Homburg, Gartenstraße 7, 97855 Homburg/Main
Anmeldeformular anfordern bei manufaktur@buntpapier.eu

=> Workshops 2013

12. Januar 2013
Kleisterpapier nach Herrnhuter Art
W335003
Sa 10–17.15 Uhr

Altstädter Kirchenplatz 6, 91054 Erlangen
Anmeldung unter vhs-erlangen.de

13. Januar 2013
Buntpapier frei gestalten
W335004
So 10–17.15 Uhr

Altstädter Kirchenplatz 6, 91054 Erlangen
Anmeldung unter vhs-erlangen.de

Wenn ich Ihr Interesse geweckt haben sollte, wenden Sie sich bitte direkt per eMail an die Erlanger Buntpapiermanufaktur (aka Tanja Karipidis)! Und wenn Sie schöne Blätter geschaffen haben, dann würde ich mich über ein Foto für mein Blog riesig freuen.

P.S.: Ich werd' mal das Ohr an die Schiene legen und versuchen herauszuhorchen, ob es sich nicht lohnen würde, 2013 im Rheinland, in Köln, ein schönes Kleisterpapierwochenende anzubieten.