Mittwoch, 2. Juli 2008

Franzband, die ‚offizielle’ Definition

Was denn, schon wieder ein Buch, schon wieder Französische Buchbinderei? Der Grund ist der: In den letzten Tagen entspann sich eine fröhliche eMail-Aktivität zwischen der Pfalz und dem Rheinland, was denn ein ‚Franzband’ per Definition sei. Der Onliner surft mal eben bei wikipedia vorbei und bildet sich. Meyers Lexikon weiss auch nicht mehr, die anderen schreiben eh hier und/oder da ab. Der Wiki-Eintrag bezieht sich - unter anderem - auf ein lange vergriffenes Buch von Moessner, Gustav u. Kriechel, Hans; Buchbinder ABC; Zanders, Berg.-Gladbach, 1991. 
Zitat: Franzband. Ledereinband, auf => «tiefen Falz» angesetzt; Halbfranzband, wenn nur der Rücken mit Leder überzogen ist; die Einbandpappen sind direkt an die Anpressfalze geschoben und haben keinen Gelenkspielraum, wie ihn der technisch einfachere Lederband hat; die Heftbünde kleben außen auf den Deckeln oder werden nach französischer Manier durch die Deckel gezogen; solideste Einbandtechnik, zeitaufwendig. Der Name F. weist auf die aus Frankreich eingeführte Technik hin; im Französischen wird der F. «Reliure proprement dite » genannt.
Das Buch ist bei verschiedenen Antiquariaten noch zu haben. Aber Vorsicht, es ist selten, gesucht und recht teuer, so um die 25-40 EUROS müssen Sie schon für ein gutes Exemplar investieren. Dann haben Sie die gültigen Definitionen aus der Welt des Buchbindens auf dem Tisch. Das eine Exemplar bei ZVAB, das für 516 €, das lassen Sie mal, das ist sicher ein Tippfehler. Weil das Buch eines der berühmten und begehrten Werbemittel der Papierfabrik Zanders war, ist es natürlich in hauseigenes 134er Efalin, Leinenprägung, dunkelbraun, eingebunden. Es hat eine zweifarbige Rücken- und  Titelprägung und wurde auf Ikonofix gedruckt. Leider sind bei den meisten Exemplaren die Rücken ausgebleicht, das hat Efalin so an sich. 
Und jetzt verrate ich Ihnen, woher ich mein Exemplar habe. Das war ein Geschenk für Interessierte aus der Branche. Als Werbeleiter, der ich damals war, als leidenschaftlicher Zanders-Papier-Anwender, der ich immer war und als Verfechter von Werbegeschenken mit hohem Gebrauchswert, wuchsen mir die 135 Seiten geballtes Fachwissen völlig zu Recht zu, finde ich auch im Nachhinein.
Haben Sie Vorschläge, welche Einträge ich in den nächsten Wochen vorstellen soll? Bradel? Englische Broschur? Elefantenhaut? Französische Broschur? Weichmacherwanderung? Wiener Papp? Mach ich doch glatt. Beginnen werde ich mit dem Stichwort „Buchbinder, berühmt gewordene.” Sie werden schon sehen.

Dienstag, 1. Juli 2008

Hideko Ise — Sophie et le relier



Ein Buch für Kinder, ein Buch mit Bildern, ein Kinderbilderbuch übers Buchbinden? Ja, geschrieben und illustriert von der renommierten japanischen Illustratorin Hideko Ise. Ein feines Buch mit einem flotten, auch Kindern eingängigen Text und delikaten, stimmungsvoll aquarellierten Zeichnungen, das auch Erwachsenen mit seinen 60 querformatigen, durchgehend farbigen Seiten eine wahre Augenfreude sein wird.
Die Geschichte ist schnell erzählt: Sophies Lieblingsbuch hat sich in seine Bestandteile zerlegt. Man rät ihr, zum ‚Buchdoktor’ zu gehen. Dieser, als souveräner Herr über ein gigantisches „désordre” tut wie gebeten, er bindet Sophies Buch wieder ein. Nach allen Regeln der französischen Buchbinderkunst bekommt „petite” ihr Baumbuch wieder zurück, einschließlich einer individuellen neuen Titelgestaltung! Hideko Ise hat als erfahrene Illustratorin nicht nur diese Bilderbuchstimmung sehr treffend eingefangen, sondern sie hat darüber hinaus auch die Wirklichkeit einer Handbuchbinderei gut getroffen, in der elektrischer Strom anscheinend nur zur Beleuchtung genutzt wird. Zugegeben, ein wenig verklärt, aber Klotzpresse, Blockschneider, Pappschere, alles massive Geräte aus Hartholz und Eisen und alle muskelbetrieben, sind keine Phantasieprodukte. Viel Spass mit dem Buch. Wenn Sie kaufen wollen, ich hab's mir hier bestellt :: Link :: 

Sonntag, 29. Juni 2008

Hohes Lob für treue Dienste


Eines Tages konnte ich zum Schrottpreis eine wirkliche Kostbarkeit aus den frühen 60 Jahren kaufen: Eine Hebelschneidemaschine der Firma Schimanek. Ich habe vergessen, wie viele Kilo der Klotz wog, den ich mit meinem halbwüchsigen Sohn auf den LKW gehievt und in meinen Keller geschleppt habe. Schwer war's, wirklich, obwohl das Gerät zerlegt war. Das Messer lässt sich nachschleifen, sowieso, und auch, wenn man, wie mir geschehen, eine lose herumvagabundierende Heftklammer übersieht und so dem haarscharfen Messer zwei unnütze Zahnlücken per Hebelkraft aufzwingt.
Die HS 46 ist eine feine, rein mechanische Maschine, zuverlässig und ziemlich unkaputtbar. Und, siehe da, als ich dem Gerät etwas technischen Support angedeihen lassen wollte (Reinigen, Ölen, justieren nach Messer- u. Scheidbalken-Wechsel, etc.) bekam ich auf Anfrage umgehend vom Hersteller genau das was ich benötigte. Für eine neue Kurbel muss ich allerdings noch ein wenig sparen; Ersatzteile aus Guss mit präzise geschnittenen Gewinden kosten halt. Ein Blick auf die Schimanek-Website zeigt, dass deren Geräte immer noch in der Qualitätsklasse ‚heavy-duty’ zu finden sind. Und die hat halt ihren Preis. Ich habe Sie gewarnt. Aber wollten Sie nicht immer schon Ihren Enkeln etwas vererben, das diese auch wieder vererben können? Aber vielleicht lackiere ich das dicke Ding mal in Original-Harley-Davidson-Farben um

Artist’s Books

Oh, wie schön! Wer so lange Bücher bindet wie ich, den kann so schnell nichts mehr aufschrecken. Aber hier, Hut ab, hier gibt es viel Schönes zu sehen.  :: Link :: Mit besten Empfehlungen von Peter Verheyen & seinem Team, auch bekannt als die Macher von Bonefolder. Willkommen in der Bloggersphäre.

Selbst ist der Mann!



Mit bei ebay ‚geschossenen’ Produkten kann man seine helle Freude, aber auch seinen schwarzen Absturz erleben. Diesmal ging's gut. Das ersteigerte grau-beige Büttenpapier kam schnell, war gut verpackt und in Laufrichtung gerollt. Die Leerräume in der aus Aldi-Weinkartons zusammengeklötterten Emballage war mit verknitterten Bögen des gekauften Papiers ausgefüllt, diese also bestens geeignet, verlustfrei zu experimentieren. 
Ich habe ein paar Bögen probehalber gefalzt und geheftet, beschnittet und nach Roger-Green-Methode fertiggestellt. Auch das Bezugspapier für die Decke habe ich selbst gekleistert. ‚Pfingstrose hell’ heisst das Muster auf dem fertigen Buch mit Rücken aus hellgrauem Regentleinen. Muster II (neben Regent blau) nenn ich mal ‚Waldwiese’, weil mir sonst nix einfällt. Da ist die Decke fertig, aber den Block konnte ich nicht einhängen, weil mir erst nach dem Beschneiden wieder einfiel, dass das Messer im Hebelschneider mackig ist und noch nicht gegen das nachgeschliffene Messer ausgetauscht war. Die Blümelein müssen also noch warten, denn ein Buch mit einem allseitigen Freiraum von über 1 cm sieht echt erbärmlich aus. Denn soviel musste ich abschneiden, um den Block als solchen noch zu retten.

What a mess - Klebrige Notizen 1. Teil

Buchbinden ganz ohne Maschinen? Kein Problem! Gutes Handwerkszeug reicht. Buchbinden ganz ohne Kleber? Ja, geht auch, aber da betritt man eine eigene Welt, mit eigenen Gurus und deren mehr oder weniger instruktiven How-to-Anleitungen, mit eigenen Tags bei flickr und einigen individuellen Blogs. Koperten, coptic binding, books without paste and glue.
Möchte Hobby-Buchbinder/in jedoch ein klassisches Buch binden, möchte sie/er Herrn Bradel folgen, einen (Edel-)Pappband, einen Millimeterband schaffen, spätestens dann muss Klebstoff her. Da reden wir nicht lange um den klebrigen Brei herum. Kleister oder Buchbinderleim oder beides braucht der Mensch am Basteltisch. Alleskleber, 2-Komponentenkleber oder sonstige High-Tech-Super-Duper-Wahnsinnsprodukte gehören in die Werbung oder in den Weltraum, aber nicht in den Arbeitsbereich des Buchbinders.
Buchbinderleim ist ein Kaltleim ähnliches Industrieprodukt, das kauft man sich per Kilodose als Markenware oder No-Name-Produkt im Buchbindebedarf ‚online’ oder, wenn verfügbar, ‚over the counter’.
Kleister ist in verschiedenen Aggregatzuständen zu haben: Als Fertigprodukt ist geeigneter Kleister sauteuer, denn er steht dann meist in Bastelläden, wo sich ScrabbookerInnen ihre Kostbarkeiten kaufen. Für den Preis eines 125 ml Flakons kann ich glatt mit der Tram quer durch die Stadt zum BuBiBedarf fahren und komme mit einem Kilo feinster Profiware zum gleichen Preis zurück. Als Pulver (meist Methylcellulose) steht er spätestens im nächsten Baumarktregal. Dort sollte man jedoch darauf achten, dass das Kartönchen wirklich nur MC enthält. Denn wozu brauche ich beispielsweise den hohen Säureanteil, der den Schwertapetenkleister befähigt, sich am Kalkputz festzukrallen, in meinem Buch? Alternativ klaut man sich in der Küche ein Tässchen Mehl und die 4 - 4 1/2 fache Menge Wasser und kocht sich seinen Kleister höchstselbst und ständig rührend. Das kostet dann so gut wie nix und erfreut des Geizkragens Geldbeutel tagelang ganz ungemein.
Kleister also: Tapetenkleister (oder reine MC), ist nach aufgedruckter Gebrauchsanweisung angerührt, in weniger als 1 Stunde einsatzbereit. Ich erkenne das richtige Produkt daran, wenn hinten draufsteht, dass er für Kinderbastelarbeiten geeignet ist, also keine Pro- oder Anti-Zusätze enthält. Für hausgemachten Kleister wirft Googl jede Menge Rezepte zum Nachkochen aus, auch solche mit 405er Mehl. Meine persönlichen Erfahrungen sind: Ich benutze die beste Stielkasserolle aus der Küche, da brennt die Masse nicht so leicht an. Unter den fertigen, hausgekochten ‚Pudding’ klöppele ich, nein, kein Ei, sondern ein paar Tropfen eines farblosen Desinfektionsmittels, das hält die Pampe etwas länger frisch. Buchbinder früherer Zeiten nahmen Borax zu diesem Behufe. Der Versuchsansatz mit (Kleb-)Reismehl aus dem Asia-Laden wurde herrlich dick und kleberig, der Kleister ‚schwamm’ jedoch beim Kleisterpapiermachen auf dem (Bütten-)Papier und ließ sich nicht so leicht verreiben und mustern. Ein Kleister, aus handelsüblichem Mehl gekocht, brachte die besten Ergebnisse. Der im BuBi-Bedarf gekaufte Profikleister natürlich auch. Und wenn sich beim Gourmet-Kleister nach ein paar Tagen etwas Wasser an der Oberfläche absetzt, hilft, wie beim Kochen, nur Rühren. Aber das tu ich eh, bevor ich den Pinsel eintauche. Spätestens, wenn es beim Öffnen der Dose dem freien Buch- u. Papierkünstler den Atem verschlägt, sollte eine neue Charge angesetzt werden. Gealterter Kleister kann so gemein sein.
P.S.: US-Buchbindguru Keith Smith schreibt in seinem Opus-Magnus, Band III, dass er auch den noch warmen Kleister verarbeitet. Doch er kleistert auch ohne Makulatur auf dem Leuchtkasten, schreibt er, also warum nicht auch mit warmer Pampe? ;–)