Buchbinden ganz ohne Maschinen? Kein Problem! Gutes Handwerkszeug reicht. Buchbinden ganz ohne Kleber? Ja, geht auch, aber da betritt man eine eigene Welt, mit eigenen Gurus und deren mehr oder weniger instruktiven How-to-Anleitungen, mit eigenen Tags bei flickr und einigen individuellen Blogs. Koperten, coptic binding, books without paste and glue.
Möchte Hobby-Buchbinder/in jedoch ein klassisches Buch binden, möchte sie/er Herrn Bradel folgen, einen (Edel-)Pappband, einen Millimeterband schaffen, spätestens dann muss Klebstoff her. Da reden wir nicht lange um den klebrigen Brei herum. Kleister oder Buchbinderleim oder beides braucht der Mensch am Basteltisch. Alleskleber, 2-Komponentenkleber oder sonstige High-Tech-Super-Duper-Wahnsinnsprodukte gehören in die Werbung oder in den Weltraum, aber nicht in den Arbeitsbereich des Buchbinders.
Buchbinderleim ist ein Kaltleim ähnliches Industrieprodukt, das kauft man sich per Kilodose als Markenware oder No-Name-Produkt im Buchbindebedarf ‚online’ oder, wenn verfügbar, ‚over the counter’.
Kleister ist in verschiedenen Aggregatzuständen zu haben: Als Fertigprodukt ist geeigneter Kleister sauteuer, denn er steht dann meist in Bastelläden, wo sich ScrabbookerInnen ihre Kostbarkeiten kaufen. Für den Preis eines 125 ml Flakons kann ich glatt mit der Tram quer durch die Stadt zum BuBiBedarf fahren und komme mit einem Kilo feinster Profiware zum gleichen Preis zurück. Als Pulver (meist Methylcellulose) steht er spätestens im nächsten Baumarktregal. Dort sollte man jedoch darauf achten, dass das Kartönchen wirklich nur MC enthält. Denn wozu brauche ich beispielsweise den hohen Säureanteil, der den Schwertapetenkleister befähigt, sich am Kalkputz festzukrallen, in meinem Buch? Alternativ klaut man sich in der Küche ein Tässchen Mehl und die 4 - 4 1/2 fache Menge Wasser und kocht sich seinen Kleister höchstselbst und ständig rührend. Das kostet dann so gut wie nix und erfreut des Geizkragens Geldbeutel tagelang ganz ungemein.
Kleister also: Tapetenkleister (oder reine MC), ist nach aufgedruckter Gebrauchsanweisung angerührt, in weniger als 1 Stunde einsatzbereit. Ich erkenne das richtige Produkt daran, wenn hinten draufsteht, dass er für Kinderbastelarbeiten geeignet ist, also keine Pro- oder Anti-Zusätze enthält. Für hausgemachten Kleister wirft Googl jede Menge Rezepte zum Nachkochen aus, auch solche mit 405er Mehl. Meine persönlichen Erfahrungen sind: Ich benutze die beste Stielkasserolle aus der Küche, da brennt die Masse nicht so leicht an. Unter den fertigen, hausgekochten ‚Pudding’ klöppele ich, nein, kein Ei, sondern ein paar Tropfen eines farblosen Desinfektionsmittels, das hält die Pampe etwas länger frisch. Buchbinder früherer Zeiten nahmen Borax zu diesem Behufe. Der Versuchsansatz mit (Kleb-)Reismehl aus dem Asia-Laden wurde herrlich dick und kleberig, der Kleister ‚schwamm’ jedoch beim Kleisterpapiermachen auf dem (Bütten-)Papier und ließ sich nicht so leicht verreiben und mustern. Ein Kleister, aus handelsüblichem Mehl gekocht, brachte die besten Ergebnisse. Der im BuBi-Bedarf gekaufte Profikleister natürlich auch. Und wenn sich beim Gourmet-Kleister nach ein paar Tagen etwas Wasser an der Oberfläche absetzt, hilft, wie beim Kochen, nur Rühren. Aber das tu ich eh, bevor ich den Pinsel eintauche. Spätestens, wenn es beim Öffnen der Dose dem freien Buch- u. Papierkünstler den Atem verschlägt, sollte eine neue Charge angesetzt werden. Gealterter Kleister kann so gemein sein.
P.S.: US-Buchbindguru Keith Smith schreibt in seinem Opus-Magnus, Band III, dass er auch den noch warmen Kleister verarbeitet. Doch er kleistert auch ohne Makulatur auf dem Leuchtkasten, schreibt er, also warum nicht auch mit warmer Pampe? ;–)
Sonntag, 29. Juni 2008
What a mess - Klebrige Notizen 1. Teil
Labels:
Buchbinden,
Kleister selbstgemacht,
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Werkstoffe
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