Freitag, 5. Dezember 2008

Alte Lexika online - für Genießer und Findefüchse

GSD bin ich nicht der einzige Mensch in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis, der sich stundenweise in einem der alten Nachschlagewerke verliert, die über unsere Haushälfte verteilt sind. Natürlich ist eine online-Recherche eine feine, schnelle Sache, wenngleich die Ergebnisse gelegentlich unvollständig, manchmal ungesichert, hin-und-wieder tendenziös und auch viel zu Neuzeit-orientiert sind. 
Will ich beispielsweise etwas aus meinem Hobby-Gebiet, dem Buchbinden, wissen, das nicht mehr zum aktuellen Fachwissen, sondern zum histrorischen Basiswissen eines traditionellen Handwerks gehört, dann bleiben nur die alten Nachschlagewerke, wahre Gebirge des Wissens und der Erfahrung.  
Verborgen unter einer hübschen Larve - meist sind es schmucke Halbfranzbände mit Lederrücken, Lederecken und Goldprägung und Farbschnitt - hat vielfaches Unheil einen unaufhaltsamen Lauf genommen. Dass das versammelte Wissen gelegentlich veraltet ist, who cares, da bin ich cool und frische online auf. Das wirkliche Elend heute entstand durch die damals hochmoderne Technik, wodurch die alten Schatzbücher (nicht nur die Lexika) zu ihrem langsamen Siechtum verdammt sind. 
In ihrer überwiegenden Mehrzahl wurden die heute meist im Gelenk ausgeleierten bzw. ausgerissenen Bücher zwischen den 1850er und den frühen Jahren des 20. Jhrh. geklammert, 4 - 5 mal pro Lage durch den Rücken. Meist wurden sie auch noch 2 x durch die Lagen mit der stabilisierenden Heftgaze verbunden. Die darauf gepappten Hülsen wurden aus dünnem Allerweltspapier gefertigt und auch ‚innen’ mit angetackert. Das für Rücken und Ecken verarbeitete Leder hat sich im Laufe der Jahre in Mumienpulver verwandelt, wer geht schon mit spezieller Lederpflege einmal jährlich über die ledernen Rücken seiner geliebten Bücher?
Die Reparatur dieser Bücher ist ein Stunt, allein das Ziehen der meist in Lagen und Rückenkonstruktion fest eingerosteten Klammern bedeutet pro Band einen Zeitaufwand von mindestens 1 Stunde. Das Säubern der Rücken und Vereinzeln der Lagen ist mühsam, das Entfernen von Klammerresten kostet Nerven, der hammerharte, knochenleim-ähnliche Klebstoff stinkt jämmerlich und sträubt sich sehr gegen das Entfernen. Das nicht holzschlifffreie Papier bricht, speziell zwischen den Klammer-Löchern im Bruch. 
Eine BuBi-Kollegin im VHS-Kurs hat sich einen ererbten 18 bändigen Brockhaus komplett neu eingebunden. Dafür hat sie - bienenfleißig - insgesamt drei Semester gearbeitet, alles in allem mehr als 250 Stunden plus viele nicht benannte Stunden zu Hause. 
Wenn Ihnen dies alles zu aufwändig ist, klicken Sie doch einfach oben auf den Link. Da stehen sie, die einstigen Prachtwerke gehobenen bürgerlichen Wissens – online. Sie müssen jetzt nur noch korrigiert werden. Und dafür können Sie sich freiwillig melden, wenn Sie möchten. Lohn gibt es keinen, Sie müssen es schon ‚for love’ tun.