„Expand your bookshelf”, das ist eines der Dauerthemen im quicklebendigen, globalen Buchbindeforum namens Book Arts Forum. Dort kann ich, bis auf ein paar ältere, englischsprachige Must-have-Bücher von legendärer Qualität nur wenig beitragen, da mich viele der in den letzten Jahren liebevoll angepriesenen Bücher zum Thema Buchbinden entweder langweilen oder bereits in meinem Regal stehen.
Heute möchte ich auf das Buch in der Überschrift hinweisen, nicht zuletzt wegen der gelegentlich skurilen Geschichte, mir ein Exemplar zu beschaffen. «Traité de la Relieure des Livres by Jean-Vincent Capronnier de Gauffecourt. A Bilingual Treatise on Bookbinding. Translated from the French by Claude Benaiteau. With an Introduction by John P. Chalmers. Edited by Elaine B. Smyth. Verlag W. Thomas Taylor, Austin, 1987.»
Das Büchlein ist seiner inhaltlichen Bedeutung entsprechend bibliophil in einer Auflage von 300 Kopien mit einer Van Dijck Type auf einem mir unbekannten traumschönen Hadern-Papier namens ‚Frankfurt White’ gedruckt. Das Papier ist natürlich handgeschöpft, elfenbeinfarben, edel strukturiert. Das Buch wurde sehr hübsch halbleinen von Hand eingebunden.
Der Inhalt ist schnell skizziert: Es ist die kürzestmögliche Schilderung der französischen (pariser) Buchbindekunst der vorrevolutionären, der maschinenfreien Zeit. Einer Zeit, die nicht nur politisch und sozial vor gravierenden Umstellungen stand. Auch im Buchbinde-Millieu deuteten sich mit dem Einsatz von Maschinen wie der Säulenpresse als Ersatz für die Balkenpresse oder auch der Papier-Guillotine (sic) aka Blockschneider als Ersatz für Beschneidhobel, starke, ja aufsehenerregende Umstellungen an.
Hier sah der Autor, Capronnier des Gauffecourt, Freund und Weggefährte von Rousseau und Voltaire, das Ziel seiner Publikation. Er wollte allen an gut gemachter, klassischer Buchbindearbeit interessierten Menschen zeigen, worauf sie zu achten haben, um nicht dem schnell umsichgreifenden Dilettantismus und den vielen Betrügereien auf den Leim zu gehen. Die Herrscher des Buchwesens dieser Zeit müssen unseren aktuellen „Heuschrecken” nicht unähnlich gewesen sein.
Ein Seminar-Angebot des New-Yorker Buchbinders und Papier-Restaurateurs Jeff Peachey und die ebenso launigen wie reich bebilderten Berichte zum Workshop [ hier ] [ hier ] [ hier ] interessierte mich sehr und brachte mich auf die Spur des Gauffecourt-Textes.
Seine Beschaffung war dann schon ein wenig mühevoll - kein Wunder bei der geringen Auflage. Erstaunt hat mich allerdings, und da bin ich mit meinen Recherchen noch nicht fertig, dass dieser (unbebilderte)Text in Deutschland so gut wie unbekannt ist. Es existiert keine öffentlich zugängliche Übersetzung. Das ist nicht weiter schlimm, da die englische Sprache des Übersetzers Benaiteau - einschließlich der notwendigen Fachausdrücke - klar und unmissverständlich ist. Er weist auch auf gewisse Brüche hin, bei der er sich Klärung durch einen modernen Buchbinder wünschte.
Was habe ich bei Herrn Gauffecourt gelernt? Beispielsweise adaptierte Ich seine Lösung für mein Problem, den geliebten dickleibigen Bütten-Papieren die Steigung in den Brüchen, Falzen und Lagen mit zahlreichen gezielten, liebevoll-druckvollen Hammerschlägen und stunden- bzw. tagelangen Pressungen auszutreiben. Das ‚Niederhalten’ der deutschen Buchbinder ist nur ein schwacher Ersatz für die ‚Prügleorgien’, die ich nach G's. Anweisungen (und Peacheys Empfehlungen) veranstaltet habe und die mir die Leimdosen aus dem Regal trieben. Auch Gs. Vorschläge zu feinen, gezielten Leimaufträgen an den Schwachstellen der ersten und letzten Lagen (mit den Vor- und Nachsätzen) haben mir schon geholfen - auch bei der von mir bevorzugten Bradel-Technik.
Das nächste, nachgedruckte Buchbinde-Dokument aus vorrevolutionärer Zeit steht wartend im schützenden Schuber: Halbleder, Folioformat, um die 150 Seiten dick mit einigen Illustrationen in Diderot-Qualität: Dudin. The Art of the Bookbinder and Gilder. Doch davon später im Jahr.