Mittwoch, 24. Dezember 2008

Der Klotz oder Das Missale des Grauens




Mein Sohn Stefan, der sich als Freier Grafiker (zusammen mit einem Partner) die größte Mühe gibt, seinen Kunden zielgruppen-orientierte und ästhetisch ansprechende Gestaltungslösungen zu liefern, hat für ein paar Monate diese täglich wechselnden Eye-Catcher der Kölner Boulevardpresse ‚gesammelt’. Aus den Loseblattbergen wünschte er sich ‚ein Buch’. 
Nun denn, hier ist es als Weihnachtsgeschenk, und der geneigte Leser möge mir den lauen Vergleich mit einem mittelalterlichen Missale verzeihen. Rein äußerlich gesehen fehlen nur noch die Verschlüsse und vielleicht die Kette zum Anschließen des kostbaren Werks an das Vorbeterpult. Inhaltlich ist es eine Dokumentation des alltäglichen Grauens einer deutschen Großstadt: Mord und Totschlag, Verbrechen jeglicher Art, Klüngel und Intrigen, Bestechung, Behördenwahn, Verkehrschaos - Köln ist aus Sicht der Eye-Catcher wirklich kein besonders hübsches Pflaster.
Der Klotz wiegt ca. 4 kg und ist ca. 30 x 50 x 5 cm groß. Die Poster, auf 90 g Billigpapier gedruckt und 2 mal gefalzt,  habe ich nicht gezählt. Der Einband ist eine riskante Mischung aus Album und asiatischer 6-Loch-Bindung. Dafür musste ich ein schönes Stück meines wertvollen schwarzen irischen Leinengarns opfern. Für den Einband habe ich 3er BuBi-Pappe mit einem Papier bezogen, das dem alten Malerkrepp ähnelt, keine definierte Laufrichtung aufweist und mit schwarzer teer- und harzhaltiger Farbe besprüht worden war. Das zähe, etwas streng riechende Zeug wurde früher in Autotüren und unter Hutablagen verklebt. 

Sonntag, 7. Dezember 2008

Le vasistdas? Preisfrage zum Advent



Ja, was ist das? Wie heissen diese beiden „Dingsbums” auf dem Foto eigentlich? Oder: Wozu mögen sie einmal gedient haben? Sie sind offentlichlich ziemlich alt. Ich sehe jeweils einen kräftigen, aus massivem Hartholz gedrechselten Handgriff, ein rundes, massiv metallenes Kopfteil mit unterschiedlichen Löchern und der eingeschlagenen Bezeichnung Peugot Freres. Die Metallteile wurden mehr oder weniger poliert, die Rostspuren sind immer noch zu sehen. 
Peugot? Ja, die fertigen unter anderem  (oder haben einmal gefertigt) Fahrräder und Pfeffermühlen. Aber Handwerkszeug für Buchbinder? Autsch, nun habe ich doch schon fast alles verraten. Also: Wasistdas?

Freitag, 5. Dezember 2008

Alte Lexika online - für Genießer und Findefüchse

GSD bin ich nicht der einzige Mensch in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis, der sich stundenweise in einem der alten Nachschlagewerke verliert, die über unsere Haushälfte verteilt sind. Natürlich ist eine online-Recherche eine feine, schnelle Sache, wenngleich die Ergebnisse gelegentlich unvollständig, manchmal ungesichert, hin-und-wieder tendenziös und auch viel zu Neuzeit-orientiert sind. 
Will ich beispielsweise etwas aus meinem Hobby-Gebiet, dem Buchbinden, wissen, das nicht mehr zum aktuellen Fachwissen, sondern zum histrorischen Basiswissen eines traditionellen Handwerks gehört, dann bleiben nur die alten Nachschlagewerke, wahre Gebirge des Wissens und der Erfahrung.  
Verborgen unter einer hübschen Larve - meist sind es schmucke Halbfranzbände mit Lederrücken, Lederecken und Goldprägung und Farbschnitt - hat vielfaches Unheil einen unaufhaltsamen Lauf genommen. Dass das versammelte Wissen gelegentlich veraltet ist, who cares, da bin ich cool und frische online auf. Das wirkliche Elend heute entstand durch die damals hochmoderne Technik, wodurch die alten Schatzbücher (nicht nur die Lexika) zu ihrem langsamen Siechtum verdammt sind. 
In ihrer überwiegenden Mehrzahl wurden die heute meist im Gelenk ausgeleierten bzw. ausgerissenen Bücher zwischen den 1850er und den frühen Jahren des 20. Jhrh. geklammert, 4 - 5 mal pro Lage durch den Rücken. Meist wurden sie auch noch 2 x durch die Lagen mit der stabilisierenden Heftgaze verbunden. Die darauf gepappten Hülsen wurden aus dünnem Allerweltspapier gefertigt und auch ‚innen’ mit angetackert. Das für Rücken und Ecken verarbeitete Leder hat sich im Laufe der Jahre in Mumienpulver verwandelt, wer geht schon mit spezieller Lederpflege einmal jährlich über die ledernen Rücken seiner geliebten Bücher?
Die Reparatur dieser Bücher ist ein Stunt, allein das Ziehen der meist in Lagen und Rückenkonstruktion fest eingerosteten Klammern bedeutet pro Band einen Zeitaufwand von mindestens 1 Stunde. Das Säubern der Rücken und Vereinzeln der Lagen ist mühsam, das Entfernen von Klammerresten kostet Nerven, der hammerharte, knochenleim-ähnliche Klebstoff stinkt jämmerlich und sträubt sich sehr gegen das Entfernen. Das nicht holzschlifffreie Papier bricht, speziell zwischen den Klammer-Löchern im Bruch. 
Eine BuBi-Kollegin im VHS-Kurs hat sich einen ererbten 18 bändigen Brockhaus komplett neu eingebunden. Dafür hat sie - bienenfleißig - insgesamt drei Semester gearbeitet, alles in allem mehr als 250 Stunden plus viele nicht benannte Stunden zu Hause. 
Wenn Ihnen dies alles zu aufwändig ist, klicken Sie doch einfach oben auf den Link. Da stehen sie, die einstigen Prachtwerke gehobenen bürgerlichen Wissens – online. Sie müssen jetzt nur noch korrigiert werden. Und dafür können Sie sich freiwillig melden, wenn Sie möchten. Lohn gibt es keinen, Sie müssen es schon ‚for love’ tun. 

Donnerstag, 27. November 2008

Ein Dreifach Hoch: Mosse, Tulibri, Bonefolder


Um die vorletzte Jahrhundertwende hatte Rudolf Mosse in Berlin aus einer kleinen Annoncen-Expedition ein Zeitungsimperium geschaffen, das seinesgleichen in Europa nicht hatte. :: Mehr Infos hier :: Nach seinem frühen Tod übernahmen die Erben sein Geschäft und entwickelten es zu einem der bedeutendsten Medien-Konzerne ihrer Zeit. Das unrechtmäßige Ende für Mosse kam, wie in so vielen Geschäftsfeldern, durch die Nazis, von langer Hand durch reichsdeutsche Verlage vorbereitet und geleitet sowie von willfährigen Behörden unterstützt.
Aus der bemerkenswerten Reihe schöner und zielgruppenorientierter Mosse-Werbemittel stammen diese Mappe, die mir meine Buchbindefreundin Astrid anlässlich unseres letzten Treffens schenkte. Natürlich konnte ich die sichtbar gebrauchte, in Ehren gealterte, aber wg. der hervorragenden Verarbeitungs- und Material-Qualität noch wenig derangierte Mappe nicht einfach ins Regal stellen. Was also damit tun? Per Zufall fand ich dann im letzten Bonefolder einen Artikel von Karen Jones, der mir den Impuls zum „re-use” der Mappe gab. Konvertiert von der leeren, unvollständigen Werbemappe für Tageszeitungen, bebilderte Kolportagedrucke und Herz- und Schmerz-Schmonzetten wurde daraus eine stabile und ansehnliche Archivbox. (Für Füchse: Nächstes Mal werde ich eine Schnittfläche wie die neben dem neu aufgesetzten, mit schwarzem Bugra bezogenen Kasten natürlich entsprechend einfärben. Siehe auch im Bild o.r. ;-)

Sonntag, 16. November 2008

Fundsache: Ungewöhnliche Kapitalband-Lösung




Meinem neuen ‚Hobby’, dem systematischen Durchforsten der Buchbinder-Literatur in der Bibliothek der Kölner Fachhochschule, habe ich einen merkwürdigen Fund zu verdanken. Ich habe mir das 1926 datierte Buch von Hans Loubier - Der Bucheinband von seinen Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts - Monographien des Kunstgewerbes Band XXI/XXII - ausgeliehen. Es ist gut zu lesen, sachlich geschrieben und fachlich nicht überkandidelt aufgemacht. Die über 200 S+W-Abbildungen der alten Buchkostbarkeiten sind zusätzlich präzise beschrieben; in den zwanziger Jahren waren Farbabbildungen halt noch ausserordentlich selten. So viel zum Inhalt. Nun zur Hülle. Das Buch ist von einem/r - auch aus heutiger Sicht - Meister/in seines/ihres Faches eingebunden worden. Dieser Einband verbindet auf sehr originelle Weise die Notwendigkeiten eines stabilen Bibliothekeinbandes von hohem Gebrauchswert mit dem Wunsch des Buchbinders / der Buchbinderin zu zeigen, was man/frau handwerklich kann und gestalterisch zu bieten hat. 
Das Buch ist auf 4 schmale Bänder (ca. 10 mm breit) geheftet, die Fitzbünde liegen sehr dicht am oberen Beschnitt (dunkelgrau gefärbt) und am unteren ‚Beschnitt’, der keiner ist, weil bis auf den Kopfschnitt der Block berauft ist, sprich nicht bearbeitet worden ist. Wo immer ich aufschlage, die Seiten liegen schön flach auf, die Heftung ist ausgesprochen flach gehalten worden und überhaupt nicht ‚müde’, wie Antiquare gerne mosern, wenn sie den Preis für alte Bücher drücken wollen. 
Das Buch ist auf Original-Kunstdruckpapier im Buchdruckverfahren gedruckt. Es hat doppelten Vor- und Nachsatz, der Einband ist als Halbleinen (Naturleinen) mit farblich abgesetzter „Elefantenhaut” bezogen und zeigt zwei je 3 mm schmale Papierstreifen in Kontrastfarben zwischen Leinen und Bezugspapier. Dieses war der erste buchbinderische „Streich”, doch der zweite folgt sogleich nach dem Aufschlagen. 
Im Bruch/Falz des ersten Vorsatzes (und des letzten Nachsatzes) aus stark strukturiertem hellbraunem Bütten (Fabriano?), prangt eine durchgehende „Schau-Heftung” des Seidenfadens, mit dem die Kapitalbänder von Hand gestochen worden sind. Der Faden folgt der Heftung des Blockes und ist - vorne wie hinten - am unteren Fitzbund sichtbar verknotet.
Jetzt wüsste ich nur noch, ob es für diese ungewöhnlich kunstvolle und handwerklich anspruchsvolle Art, Kapitelbänder zu stechen, ein Vorbild gibt - oder gar einen Namen? 

Samstag, 25. Oktober 2008

Altes Eisen: Schärfmesser wiederentdeckt


Mein Freund Ralf :: Link :: hat in seinem Blog großen Spaß mit der Rubrik „Found in a Box”. Dem schließe ich mich an. Und das kommt, der Reihe nach, so: Vor ein paar Tagen hatte ich den „buechertiger” :: Link :: zu Besuch und zeigte ihr beiläufig, wie ich nach einem von mir so genannten „System Green” mein Buchbindeleder schärfe. Zu Hause machte Hilke in einer Druckpause Schärfversuche an einem Stückchen Leder mit einem spitzen Messerchen. Dieser mutige Selbstversuch veranlasste mich zu einem ironischen Kommentar, dessen ausgelöste Irritation inzwischen bereinigt, äh, ausgeschärft wurde. Und damit ist mir wieder der Loop zum Thema gelungen ;–)
Leder schärfen gehört IMHO zu den schwierigen Tätigkeiten eines Hobbybuchbinders und wird mit entsprechendem Mißtrauen angegangen, schließlich ist Leder teuer. Eine Möglichkeit ist die von Roger Green :: Link ::präsentierte Technik für Amateure, mit Hilfe bestimmter X-Acto-Knifes Kanten zu schärfen und den Rest geschickter Einkaufspolitik von dünnem Leder bzw. scharfem Schmirgeln zu überlassen.
Während einer langen, erfolglosen Suche nach einer bestimmten Broschüre - fielen mir, getarnt in einem unansehnlichen Plastiktütchen und in einer Archivbox dösend, zwei merkwürdige Eisenklingen in die Hände. Sofort war mir klar, das sind Schärfmesser, da ich die lesenswerten und gut bebilderten Ausführungen des amerikanischen Spezialisten Jeff Peachey :: Link :: noch vor Augen hatte. Die Klingen hatte mir eine Freundin meiner Mutter vor gut 15 Jahren geschenkt, als sie von meinem Hobby erfuhr. Die alte sächsische Dame ließ sich lediglich zu der Information verleiten, sie hätte mit den „Dingern Leder geschnitten (!)”. Sie hat aber mit keiner Silbe das Lederschärfen erwähnt.
Ich zog also meinen alten Arkansas-Wasserstein hervor, habe darauf die Klingen langsam geschärft und an zwei Stückchen Leder ausprobiert. Ha, die schneiden wie der Teufel, das etwas ‚standigere’ Ziegenleder ebenso wie das butterweiche Schafleder. Innerhalb einer halben Stunde hatte ich eine Fläche von ca. A5 auf Null runtergeschärft. Damit mir zukünftig die Finger nicht mehr so schmerzen, habe ich eine Klinge mit einem Lederschnürriemen und die andere mit finnischer Papierschnur umwickelt. Soviel Luxus muss sein. Messer-Aestheten werden mir verzeihen, dass ich keine Rochenhaut verwendet habe, denn die war gerade „aus”.
Für die, die es genau wissen wollen: Die Klingen sind graviert/gepunzt: Tina 211, 10 mm.

Mittwoch, 22. Oktober 2008

Buchfund: Gestalten mit Papier von Karl Heinz Krons


Von Karl Heinz Krons, meinem ‚alten’ Buchbindeguru (Jahrgang 1926), erschien 1976 bei Dumont in der Reihe Kunst-Taschenbücher ein 212 Seiten starkes Buch über die Gestaltungsmöglichkeiten mit Papier, das - völlig zu Unrecht - von der Bildfläche verschwunden ist. Kurzer Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis: Geschichte des Papiers und kleine Papierkunde; Gestalten mit Papier: Papier-Reliefs, Plastisches Gestalten durch Falten, Schneiden, Umklappen, Stereometrische Hohlplastik, Schicht-Plastik, Klebe-Plastik, Anleitung zu selbstgeschöpftem Papier, Gautschen, Lexikon, Abbildungsnachweis, Sachregister, Literatur. Selbst mir als seinem dankbaren Schüler war dieses Buch nicht bekannt. Darauf hingewiesen hat mich der Leiter der Palette, Eberhard Maurer, selbst Hobby-Buchbinder und Gastgeber der am kommenden Sonntag stattfindenden Buchbindermesse. Dafür sei auch ihm gedankt. Und jedem, der sich für das Thema ‚Gestalten mit Papier’ interessiert, sei das Büchlein ans Herz gelegt. Meines habe ich antiquarisch bei ZVAB :: Link :: bestellt. Die Spuren eines langen Taschenbuchlebens sind sichtbar, halten sich in Grenzen, trotzdem habe ich mich sehr gefreut als es heute in der Post war. 
P.S.: Kurzinfo Karl Heinz Krons: Geb. 1926, studierte Pädagogik und Kunstgeschichte, Schuldienst, Lehrerausbilder, Erwachsenenbildung, Volkshochschule Köln, Spezialgebiet ‚Papier als Gestaltungsmittel’.
P.P.S.: Aus meiner persönlichen Meinung über den bürokratischen Teil einer öffentlichen Einrichtung wie der VHS zu Köln mache ich keine Mördergrube mehr, dafür haben die schon zu viel Gebühren und Steuern sinnlos vertilgt. Niemals werde ich vergessen, wie schofel der unqualifizierte Abgesandte aus der Zentrale vor allen Kursteilnehmern Herrn Krons behandelt hat, ohne auch nur den Versuch zu machen, seine Hände aus den Taschen zu nehmen.

Mehlsackbuch №1




Alte Textilien können ihren eigenen Charme entwickeln, so sie noch nicht in haptischen, olfaktorischen oder anderen Verfall übergegangen sind. Altes Leinen hat es mir besonders angetan, seitdem ich bei Freunden und auch bei österreichischen Tandlern Stücke des herrlich glatten und kühlen Stoffes bewundern durfte. Bei einem Wiener Buchbinder :: klick :: fand ich die Anregung, daraus Bezugsstoff zu machen und Bücher einzubinden. Ortbauers verwendete Mehlsäcke sind besonders alt, edel und wunderschön. Allerdings gelang es mir nicht, einen solchen unter 200 € (!) zu finden - weder auf den Flohmärkten noch bei ebay. Doch da habe ich - unter anderem - diesen knackig blau-natur-gemusterten Getreidesack ersteigert. Billig war er nicht, er reicht aber aus, um einige Bücher damit einzuhüllen. 
Ob eine bäuerliche Großmutter aus einem Tisch- oder Betttuch den Getreidesack (für Mehl scheint er mir nicht dicht genug zu sein) genäht hat oder ob der Sack direkt vom Ballen abgemessen und von Hand mit doppeltem Leinenzwirn genäht wurde, kann ich nicht sagen. Jedenfalls wurde er viel und oft gewaschen, wodurch er sehr geschmeidig geworden ist.
Die aus handgesponnenem Garn handgewebte ca. 50 cm breite Bahn ist nach dem Auftrennen der Nähte gut 2 m lang. Ich habe das Leinen rückseitig mit 20 g/qm Japanpapier gegenkaschiert, danach ließ es sich mit ein paar Tricks und noch mehr Geduld verarbeiten: (M)eine Erkenntnis ist, dass es mindestens eine 2 mm-Pappe der besten Qualität sein muss, weil das Material kraftvoll einzieht. Als Ausgleich auf der Innenseite musste ich eine 0,8 mm-Pappe aufpappen, um zu einer glatten Fläche zu kommen. Mein Mehlsackbuch №1 hat die Maße 22 x 32 x 1,5 cm. Den Block habe ich aus Boesners Silberburg off white 110 qm einmal gefalzt auf 3 Bünde geheftet, so hat das Buch einen allseitigen echten (!) Büttenrand. Als Vorsatz habe ich mir dieses jeansblaue 90 g/qm Zerkall Maschinenbütten aus der Schublade gezogen, das ich gerne als Vorsatz einsetze, weil mir die Buchbinder-Standard-Vorsatzpapiere zu fad sind.

Dienstag, 21. Oktober 2008

Falzbeinschubser-Treff am 26. 10. 2008


Vielen Hobby-Buchbinderinnen und -Buchbindern hängt der Ruf der Schüchternheit und der Zurückgezogenheit an. Das stimmt nur bedingt und liegt nicht zuletzt an mangelnden Gelegenheiten und Räumlichkeiten. Nach dem erfolgreichen Vernetzen im WWW und gelegentlichen persönlichen Kontakten möchten wir nun den Besuchern der Kölner Buchbindermesse  (Sonntag, 26. Oktober 2008, Palette, Lüderichstrasse 8), eine Gelegenheit bieten, die digitalen Bekanntschaften in der realen Welt zu pflegen. Dazu wird uns in der Kantine der Palette ein Tisch reserviert, an dem wir uns zusammensetzen können. Die Örtlichkeit im Erdgeschoss ist nicht besonders groß, aber damit niemand herumirren muss, wird der Tisch durch ein rotes Fähnchen gekennzeichnet sein. Stellvertretend für die inoffizielle Vereinigung der rheinisch-palantinischen Falzbeinschubser freue ich mich jetzt schon auf meine ‚alten’ Bekannten und viele ‚neue’ Gesichter.

Montag, 20. Oktober 2008

Aus dem Chaos ins Regal: Fachliteratur


Dieser Tage habe ich wieder einmal genau das gefunden, nach dem ich nicht gesucht hatte: Eine Broschüre, die ich vor, ja, Jahrzehnten, bei einem der Lieferanten meines Arbeitgebers „abgestaubt” habe. Wahrscheinlich hat der Sachbearbeiter in der Druckerei sich lieber die Broschüre vom Herzen gerissen, als ständig meine rissigen Fragen zu beantworten: „Lesense mal, junger Mann, dann reden wir weiter.” In dem Alter waren mir Schachteln, neue oder alte, ziemlich suspekt. Da konnte man wüste Überraschungen erleben: „Der von Ihnen ausgewählte Karton läuft nicht.”  „Die Glanzlackierung blättert ab!”  „Ein' teartape wollense, ui, das kostet aber” … usw. usw. - Bedenkenträger aller Orten.
Titel des 1967 datierten, hochglanzlaminierten 48-Seiten-Druckwerks aus der Feder eines Stephan Engel vom Fachverband Faltschachtelindustrie e.V. aus Offenbach am Main ist „Praxis der Faltschachtel-Formen und -Zuschnitte”. Es werden über 80 Zuschnitte von sog. Ritzschachteln mit ihren teils abenteuerlichen Grundriss-Zeichnungen abgebildet. Ziel dieser Konstruktionen war natürlich die Massenverarbeitung in hohen Auflagen und rasender Geschwindigkeit für die Konsumgüter. Aber warum sollte der kleine Hobbyist mit seiner liebevollen buchbinderischen Einzelanfertigung nicht vom ganz großen industriellen Vorbild lernen. Ein einfach nachzuvollziehendes Beispiel ist das Schlichtmodell oben. Die komplexen Modelle erspar ich Ihnen, Sie könnten sonst die Motivation verlieren. 

Donnerstag, 16. Oktober 2008

Falzbeinschubser aufgepasst: Buchbindermesse Köln 26. Oktober 2008


Hobby-Buchbinderinnen und -Buchbinder werden in den nächsten Tagen, also bis zum 26. Oktober 2008, viel frischen Speicherplatz in ihren aktuellen Notizmedien benötigen, wenn sie sich nicht dem Chaos und dem Kaufrausch überlassen wollen. Besagtes Datum ist für die Kölner Buchbindermesse reserviert. Dort findet unsereiner ein geballtes Angebot dessen, was man im Alltag des von Leidenschaft geprägten Buchbinderlebens benötigt. :: Klick auf die Ausstellerliste 2008 ::  
Für mich ist die Buchbindermesse schon seit vielen Jahren ein besonderes Ereignis, denn endlich kann ich all die begehrten und benötigten Dinge besichtigen, betasten, begutachten und, ja, auch verwerfen, schließlich steht mir, wie den meisten Hobby-Buchbindern, die ich kenne, nur ein bescheidenes Budget zur Verfügung. Mag sein, dass es Buch-Künstlerinnen und -Künstler gibt, die nicht so intensiv auf den Euro schauen müssen, die sind aber selten. Deshalb gilt auch für die Aussteller, dass die Masse das Geschäft macht. Macht Euch also auf Menschenmassen gefasst und lasst Geduld walten, wenn Ihr an bestimmten Ständen in Ruhe ein Gespräch führen oder gar ungestört Stapel von dekorierten Papieren durchzublättern gedenkt. Da heisst es taktisch kluge Ehrenrunden zu drehen. In diesem Jahr sind neue Namen auf der Ausstellerliste zu finden, aber ich vermisse auch gewohnte Aussteller. 
Zu erreichen ist die Palette trotz ihres versteckten Standortes ganz gut. Parkplätze sind im Umfeld zu finden, die Haltestelle der Buslinie 159 ist 5 min Fußweg entfernt, die nächste S-Bahn ist in 20 min zu Fuß zu erreichen, ähnlich weit entfernt die nächste U-Bahnhaltestelle in Kalk. Nur die Gastronomie ist in dieser Ecke von Köln nicht sehr üppig aufgestellt. Deshalb empfehle ich, die Palette-eigene Personal-Kantine, wo in diesem Jahr ein paar Überraschungen auf die Besucher vorbereitet werden. Für unseren engeren Freundeskreis werden wir in der Kantine einen Tisch reservieren lassen, damit wir „Falzbeinschubser” unsere müden Füße dort ein wenig ausruhen können. Ihr werdet uns im Gewühl schon erkennen, das kann ich versprechen. Bis übernächsten Sonntag. Wir sehen uns.

Sonntag, 5. Oktober 2008

J.A. Szirmai - Zwischenstand


Meine Lektüre von J.A. Szirmai's „Archeology of Medieval Bookbinding” (1999, Ashgate Publishing, vergriffen) hat nun ein interessantes Zwischenergebnis gezeigt. Die international aktive Buchbinder-Newsgroup „BookArtsForum” hat meinen Vorschlag akzeptiert, für ihren nächsten internen Wettbewerb („Book Swap” genannt) als Thema eine persönliche up-to-date-Interpretation der von Szirmai dokumentierten Nag Hammadi Codices zu erarbeiten. Bis Ende Januar sollen die Arbeitsergebnisse verschickt worden sein. Ich bin mal gespannt, denn im Kleingedruckten des Swaps steht zu lesen, dass es nicht darauf ankommt, Replikas herzustellen. Vielmehr sollen, ohne Einschränkung bei Design und Material, moderne Codices entworfen und gebunden werden. Dabei soll die buchbinderische Arbeit klar im Vordergrund stehen. Ich werde berichten.
P.S.: Das schmückende Initial ‚L’ in ‚Lektüre’ bitte ich der Abbildung zu entnehmen. Take the will for the need, please  ;–)

Samstag, 4. Oktober 2008

Buchbinden - Ignoriertes Handwerk - ein Lamento

Der hochwohlmeinende Herausgeber des Buches „Das Schatzhaus der deutschen Geschichte - Das Nationalmuseum - Unser Kulturerbe in Bildern und Beispielen (1982), Rudolf Pörtner sowie sein Verlag Econ mögen mir gnädig nachsehen, wenn ich in dem antiquarisch-günstig erworbenen, gut illustrierten Prachtbuch von über 700 Seiten einen Pferdefuß ausgemacht habe, der mich wirklich stört.
In zahlreichen kleinen, feinen enzyklopädischen Einzelbeiträgen dokumentiert das Werk ganz hervorragende kulturelle Werte und künstlerische Werke aus der germanischen/deutschen Vergangenheit. Hervorzuheben ist auch, dass es keine Deutschtümeleien oder germanische Überhöhungen zu finden gibt. Deutschee Kulturschätze werden im Kontext Mitteleuropas dargestellt.
Zwei Beiträge (R. Kahsnitz) „Das Goldene Evangelienbuch von Echternach” und (E. Rücker) „Deutsche Buchillustration vom Spätmittelalter bis zu Jugendstil” haben „das Buch” zu Thema - mit allen Einzelheiten, wer wann mit wem und, wichtig, für wen und für welchen Zweck ein Buch oder gar mehrere Buchkunstwerke geschaffen hat. Doch halt, beim Lesen stolperte ich über den fahrlässig oder bewusst versteckten Pferdefuß trotzdem: In beiden Beiträgen ist vom Buchbinden, vom Buchbinder n i c h t die Rede. Es treten auf: Autoren, Stifter, Auftraggeber, Schreiber, Kopisten, Illustratoren, Illuminatoren, Vergolder, Goldschmiede, Beinschnitzer - ganz sicher habe ich in dieser nicht enden wollenden Aufzählung eine Berufsgruppe ausgelassen.
Was mir ob der Berufsvielfalt unterlaufen sein könnte, durfte den Autoren eigentlich nicht passieren. Die Arbeit der Buchbinder, also der Menschen, die aus all den Pergamenten, Papieren, Elfenbeinschnitzereien, Goldschmiedearbeiten, Emaille- und Edelstein-Applikationen, aus bemaltem, besticktem, golddurchwirkten Stoffen, aus Brettern, Kupferplatten oder zu Pappen gepressten Papierstapeln Bucheinbände gearbeitet haben, Menschen, die aus Packen von beschriftetem Pergament oder Papier haltbare, handliche und somit lesbare Buchblocks zusammengeheftet haben, die auch heute noch Bewunderung und Staunen hervorrufen - nein, die kommen nicht vor. Auch nicht im Beitrag „Zeugnisse alten Handwerkslebens und alter Handwerkskunst” (K. Pechstein) im gleichen Buch.
Abschließend drängt sich mir die rhetorische Frage auf, ob denn in den frühen Jahren die Buchbinder (das waren eh meist Mönchlein oder von ihnen angelernte Laien) so untergeordnete Arbeitsbienen waren, dass ihnen keinerlei öffentlicher Wert, gar Status zugebilligt wurde. Erst vor wenigen Jahren hat ein angesehener Wissenschaftler und Buchkünstler, J.A. Szirmai, in seinem Basiswerk „Archeaology of Medieval Bookbinding” über dieses Thema gearbeitet und seine Ergebnisse publiziert. Er beklagt in seinem Buch nicht nur die Verdonnerung der Buchbinder, antike oder sehr frühe mittelalterliche Manuskripte in modische Bibliothekseinbände repräsentativ hineinzuzwängen und sie dadurch unwiderbringlich zu beschädigen. Nein,er wies auch die lange anhaltende Missachtung der Buchbindekunst durch die genäschige Überzeichnung der Einbandgestaltung durch Kunsthistoriker und andere Interessierte hin.
Tatsache ist, dass Szirmai erst gut 10 Jahre nach den vorher genannten Co-Autoren Pörtners die Buchbinder-Ignoranz zumindest im englischsprachigen Raum öffentlich gemacht hat. Ich erlaube mir, die auf mich dünkelhaft wirkende Ignoranz eines uralten Handwerks auch im Nachhinein nicht zu verzeihen.

Donnerstag, 25. September 2008

Reparatur: Kiepert's Handatlas von 1871







Meinem Freund K. habe ich mit der Reparatur seines arg zerfledderten Atlas einen langgehegten Wunsch erfüllen können. Das Riesenbuch (50x32 cm) aus den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts hat ihm in seiner Kindheit über manche Bettlägerigkeit hinweggeholfen: „Ich habe auf den Karten meine ersten Reisen gemacht!” Auf einigen Blättern sind mit hauchfeinen Bleistiftstrichen Routen verzeichnet, beispielsweise nach Afrika. Damit hatte sein Urgroßvater eine große Reise geplant. 
Mit den Jahren und durch den häufigen Gebrauch war das Buch ziemlich malade. Der Rücken war ruiniert, weil er mit einem Stück Stoff und viel Alleskleber bearbeitet worden war. Das Leder vom Rücken und von den Ecken war nicht mehr brauchbar, ich konnte es nicht mehr stabilisieren und habe es ersetzt. 2 Heftbänder (24 mm breit) waren am Rückenansatz abgebrochen. Ich habe Tyvekstreifen „angenäht” und mit den Reststücken verleimt. Warum der alte Buchbinder diese Heftbänder mit einem giftgrünen Stückchen Papier unterklebt hatte, kann ich nicht nachvollziehen. Dann Vor- und Nachsatz angebracht und die Hülse aus einem Büttenstreifen. Die Reste der alten Rückenleimung (Knochenleim plus ein hauchdünnes, brüchiges Blättlein Papier) habe ich abgelöst und mit 3F-Gaze und PVA neu gemacht; die Original-Deckenpappen mit einer kräftigen Schrenzpappe wieder zusammengefügt und in den Scharnieren verstärkt. Schwarzes, feingenarbtes Oasen-Ziegenlamm-Leder mutig gegen Null ausgeschärft und unter dem alten granulierten, gelatinebeschichteten Bezug verklebt. Dieser reagierte durch den mehrfachen Feuchtigkeitseinsatz (Ablösen alt/Aufbringen neu) ziemlich zickig und wurde etwas brüchig. Eingerissene Blätter habe ich mit Japanpapier geklebt, vor allem in Falznähe waren einige Seiten beschädigt. 
Das große Format machte mir beim Einhängen, Abpressen und Trocken Probleme, denn ich habe keine so große Presse. Ich habe mit zugeschnittenen, beschichteten dicken Spanplatten, Schnellspannern und meinen üblichen Steinen improvisiert, was  ein wenig theatralisch wirkt, aber funktioniert hat. 
Schlussbemerkung: Das Buch ist, bis auf ein paar irreparable Kratzer und Farbspritzer, die sich auch nicht mit Akrylfarbe retuschieren ließen, sehr schön geworden. Es ist wieder voll funktionsfähig und repräsentativ. 

Donnerstag, 11. September 2008

Szirmai - Archaeology of Medieval Bookbinding

„Das Lesen wissenschaftlicher Bücher war nie mein Ding”, sach ich ma, wohl wissend, dass dieser flapsige Spruch nicht stimmt. Oder politisch ausgesagt, so nicht stimmt - mit der Betonung auf „so”. Quelle dieses Gedankenganges (ja, ja!) war die Beschaffung und das Lesen eines Buches: „J. A. Szirmai; The Archaeology of Medieval Bookbinding; Ashgate, Aldershot, Brookfield, 1999”. Darin schildert der hochbetagte Wissenschaftler, Lehrer UND Buchkünstler Szirmai seine Suche nach der wissenschaftlichen Literatur zu den frühen und frühesten Zeugnissen der Buchbindekunst.
Szirmai ließ sich - nach eigenen Worten - lässig oder gar fahrlässig, zu einer Reihe von Vorlesungen im Wintersemester 1987 in Amsterdam überreden, denn er vermutete in der renommierten Universitätsbibliothek alle von ihm in seinen Buchbinde-Archeologie-Forschungsprojekten vermissten „big handbooks”. Doch, für ihn sehr überraschend, fand er - nichts. Der Grund für die schmerzlich empfundene Lücke war schnell gefunden. Es existierte damals nichts handfestes, umfassendes zu dem Thema früher Buchbindearbeiten, den Koperten östlicher und westlicher Provenienz (copitc bindings).
Szirmai schrieb dieses Standardwerk schließlich nach jahrelanger penibler Arbeit und Dokumentation in Europa selbst. Darüber hinaus lieferte er nahezu alle wichtigen Illustrationen für die Publikation mit.
„Der Szirmai” geistere seit Jahren schon durch die Diskussionen der Buchbindefreunde und ging ein in die Quellangaben kleinerer Publikationen sowie größerer „How-to-Anleitungen” zum Thema „leim- und kleisterfreie Bücher”.
Weil der Preis für das erstklassig gemachte Buch nicht unerheblich ist (ca. 200 $ plus Versand für 352 Seiten) habe ich mich, Buchbindefreund Uwe sei's gedankt, bei der FH-Bibliothek Köln eingeschrieben, und mir das Buch für diesen Monat ausgeliehen. (P.S.: Da warten noch gut zwei laufende Meter weiterer Bücher und - ungemessen - Zeitschriften auf interessierte Leser. Welcher Lesestoff in der Universitätsbibliothek auf mich wartet, das muss ich bei nächster Gelegenheit angehen.
Durch den Szirmai durchgekämpft habe ich mich auch schon, in tapferer Zusammenarbeit mit einem dicken ollen Webster, welcher dringend nötig war wg. der elitärten, wissenschaftlichen Wortwahl des Autors.
Ich habe also gelesen und es hat mir Freude gemacht, obwohl Szirmai ein wissenschaftliches Buch, s/w-illustriert, mit vielen Fußnoten und einer bemerkenswerten Literaturtafel im Anhang veröffentlichte. Sein Stil ist für einen ungeübten, aber motivierten Leser eingängig, stellenweise sogar „süffig”, vor allem dann, wenn er seine persönlichen kulturhistorischen Erkenntnisse verbalisiert. Diese Stellen haben es mir besonders angetan.
Sein Motiv, das Buch zu schreiben, sagt mir genug darüber aus, dass die Buchbinderei, insgesamt gesehen, jahrhundertelang hinter der naschhaften Darstellung der Einbandgestaltung zurückstehen musste. Szirmais Forschungsergebnisse beklagen auch die Vernichtung von „antiken und frühmittelalterlichen” Koperten durch das mehrfache erbarmungslose Neubinden in modische, zeitgemäße Bibliotheksbände oder das Fleddern von frühen Büchern, um Material für Deckel, Rücken, Vorsätze und sonstige buchbinderische Aktivitäten zu „gewinnen”.
Einen Wermutstropfen musste ich vor ein paar Tagen einer amerikanischen Buchbindefreundin servieren, die davon ausgegangen war, dass der Szirmai auch Anleitungen für unterschiedliche „coptic bindings” liefert. Dies tut er nicht! Interessenten an einer der Urformen des Buchbindens müssen sich schon selbst weiterführende Gedanken, Pläne und Zeichnungen machen. Trotzdem: Meine uneingeschränkte Leseempfehlung, liebe Buchbindeinteressierte, für den Szirmai, das ist ein unverzichtbares Standardwerk.

Freitag, 1. August 2008

Bradel et.al.

Die Fachsprache der Buchbinder ist IMHO überhaupt nicht global. Da verbalisieren die verschiedenen „Buchbinde-Schulen” munter aneinander vorbei, penetrieren das Vokabular ihrer jeweiligen Buchbinde-Gurus und parlieren,  patriotisch bewegt, mit fremd klingenden Vokabeln. Die verschiedenen „Schulen” decken sich meist mit den „Sprachschulen”, will sagen „Sprachkulturen”. Ausnahmen davon sind die online verbundenen Amateur-Buchbinder, die sich redlich mühen müssen, in diesem ‚Krieg der Wörter’ ihren persönlichen Überblick zu gewinnen. 
Ich schau mir an erster Stelle, natürlich, die Buchbinderschule des deutschsprachigen Raumes an, dann eine des englisch-/amerikanischen, eine des französisch-/italiänische, teilweise des spanisch-/portugisischen Sprachraumes an, wie die Begrifflichkeiten uns grenzüberschreitende Amateure wirren. Vielleicht findet sich ja gelegentlich ein hyperfleissiger Mensch, der die (gedanklich) divergierenden Begriffe der einzelnen Sprachräume einmal wertneutral gegenüberstellt. 
Heute also aus aktuellem Anlass …
[Quelle: http://palimpsest.stanford.edu/don/dt/dt0459.html]
Bradel binding
A type of binding having a hollow back, and not unlike a library binding, except that it is considered to be temporary. The style was originated in Germany by Alexis Pierre Bradel, also known as Bradel l'ainé, and also as Bradel-Derome, son-in-law and successor to Nicholas-Denis Derôme. The style was taken to France sometime between 1772 and 1809. Bradel bindings generally have split boards into which are attached the extensions of the spine lining cloth. The edges are uncut, sometimes with the head edge being gilt. They generally have a leather or linen spine. In France the style was known as "Cartonnage à la Bradel," or as "en gist."

[Quelle: Gustav Moessner, Hans Kriechel; Buchbinder ABC, Zanders, Berg.Gladbach 1981]
Bradel, Alexis, Pierre
Französischer Buchbinder, der 1722 die Meisterprüfung ablegte. Er entwickelte die einfachere Technik der «Cartonage á la Bradel», die einen Kopfgoldschnitt mit bestochenen Kapitalen erhielt und nach weiteren Vereinfachungen Vorläufer der Bücher mit => «gebrochenem Rücken» wurde. Seine »Cartonagen» wurden in Deutschland um 1870 bekannt.
Gebrochener Rücken
Deckel und Rücken bestanden ursprünglich aus einer dünnen Pappe, an die die Rückenbreite und die Gelenke angebrochen wurden; daher der Name «Pappband»; als dickere Pappen benützt wurden, wurde die Rückeneinlage auf dünnen Karton geklebt, an den Fälzen gebrochen und auf den Buchblock herübergezogen, danach die Deckel aufgesetzt.
[Quelle: Sün Evrard, Annie Persuy; Handbuchbinden in Frankreich]
Der Bradel-Einband
Bradel-Einbände tragen den Namen eines Buchbinders aus dem 18. Jahrhundert, der diese für provisorische Einbände verwendete. Ihr Hauptmerkmal ist der zwischen Rückeneinlage und Pappdeckel belassene Hohlraum bzw. Falz (frz. genannt: "gorge"). Die Heftkordeln oder die Fäden, die zur Heftung dienen, sind in den Rückefalz und auf das fliegende Blatt geklebt und nicht durch die Pappdeckel gezogen. […] Die Pappdeckel und die Rückeneinlage werden auf das Überzugmaterial geklebt. Man schlägt ein und klebt das Ganze auf das vorbereitete Buch.  […] Diese Technik ist eher als Kartonieren denn als Buchbinden zu bezeichnen und wird häufig von Anfängern gewählt. Zu Unrecht, wie wir glauben, denn ein gelungener Bradel-Einband verlangt Geschicklichkeit und Erfahrung. […]

Persönliche Anmerkung: Also binde ich, als Anfänger mit ‚Geschicklichkeit’ und mit über 20 Jahren ‚Erfahrung’ - Bradel in verschiedenen Varianten, obwohl mir das nie jemand so klar gesagt hat. Das mit dem ‚Franzband’ folgt dann im Herbst und den mir noch verbleibenden restlichen 20 Jahren. =:-0


Donnerstag, 24. Juli 2008

Ann Muir marbled papers


Mit großem, allseitigem Bedauern eilte in diesen Tagen die traurige Nachricht durch die globale Buchbindergemeinde, dass eine der profiliertesten Marmorpapier-Gestalterinnen, die Schottin Ann Muir, ihrer schweren Erkrankung erlegen ist. Zum Andenken an diese ungeheuer kreative, fleissige und zuverlässige ‚Lieferantin’ traumhaft schöner Marmorpapiere erlaube ich mir, ein Stückchen ihres Schaffens hier abzubilden.
Das erste und gleichzeitig letzte Mal, daß ich dieses Design verwendet habe, war der Einband für das Aquarellbuch meines zeichnenden und malenden Schwagers Christian Preuschl. Der konnte sich am Muster des Einbandpapiers nicht satt sehen. Leider verstarb er im Mai, nur kurz nach seinem 75. Geburtstag.
Der Rest vom Bogen bleibt nun in der Schublade - schon aus Pietät für zwei von mir sehr geschätzte Künstler. Das künstlerische Werk Ann Muirs wird von ihren Erbinnen weitergetragen. Klicken Sie hier :: Link ::

Samstag, 12. Juli 2008

Werkstattgeflüster

Meine Falzbeine hier :: LINK ::
Meine Scheren hier :: LINK ::
Meine Messer hier :: LINK ::

Dienstag, 8. Juli 2008

Reused Objects: Photoalbum, kostengünstig


In einem der Riesenläden lagen stark reduzierte, eingeblisterte Photoalben im Format von ca. 30x30 cm herum. Ein erster Blick auf das beeindruckende Paket zeigte mir aussen ein grässliches Allerweltsdesign und innen einen sauberen Block. Gekauft wie gesehen und zu Hause augeschlitzt offenbarte sich der Block als (maschinell) ordentlich gemacht und mit Zwischenlagen ‚Spinnenpapier’, will sagen Pergamin in leichter Qualität, versehen.
Das Ganze habe ich dann zu einem individuellen Photoalbum umgewidmet: Die Vorsätze ließen sich leicht abziehen/abtrennen. Die unbrauchbaren Deckeneinlagen aus Doppelwellpappe sowie der gruselige (folienkaschierte) Deckeleinschlag wanderten in die Tonne. Dann habe ich den Rücken zur Stabilisierung leicht übergeleimt, mit der zweiten Rückenleimung ein Stück Gaze aufgebracht, dann eine Hülse aus Kraftpapier und Vorsätze aus 90g/qm Sonderangebotsbütten angeleimt und mit Japanstreifen fixiert.
Die Deckenteile musste ich wg. Materialmangel aus 3er Pappe zuschneiden; eine 2 - 2,5er Pappe hätte es auch getan. Den schön gerundeten Schrenzstreifen habe ich wiederverwendet und mit 9mm-Scharnieren angepappt. Das Bezugspapier habe ich mit einer Mischung aus schwarzer und hochroter Akrylfarbe im Kleisterverfahren selbst gestaltet, den Rücken mit einem Streifen bordeauxrotem BuBi-Leinen abgesetzt. Das Einhängen war dann wg. der Größe etwas fummelig; das Pressen und Trocknen ein echter Stunt, wer hat als Amateur schon so große Pressbretter. Leider habe ich die architektonisch gewagte Trockenstation aus Brettern, halben und ganzen Ziegeln sowie zwei Lithosteinen nicht fotografiert. Die Kosten sind alles in allem überschaubar: Für den Block 2,49 € an der Supermarktkasse, 2 Pappen, 2 Bogen Bütten, Kleister, Leim, Japanstreifen sind dem Bestand entnommen. Zeitaufwand netto (ohne Trockenzeiten) ca. 4 Std. In USA würd' man jetzt singen: «Come on let's have a project!» Ich sage: «Dacapo.» Ein paar von den Dingern liegen immer irgendwo rum, manchmal auch in 1-€-Läden, wenn man Glück hat. Insgesamt war es ein spaßiges Arbeiten.

Mittwoch, 2. Juli 2008

Franzband, die ‚offizielle’ Definition

Was denn, schon wieder ein Buch, schon wieder Französische Buchbinderei? Der Grund ist der: In den letzten Tagen entspann sich eine fröhliche eMail-Aktivität zwischen der Pfalz und dem Rheinland, was denn ein ‚Franzband’ per Definition sei. Der Onliner surft mal eben bei wikipedia vorbei und bildet sich. Meyers Lexikon weiss auch nicht mehr, die anderen schreiben eh hier und/oder da ab. Der Wiki-Eintrag bezieht sich - unter anderem - auf ein lange vergriffenes Buch von Moessner, Gustav u. Kriechel, Hans; Buchbinder ABC; Zanders, Berg.-Gladbach, 1991. 
Zitat: Franzband. Ledereinband, auf => «tiefen Falz» angesetzt; Halbfranzband, wenn nur der Rücken mit Leder überzogen ist; die Einbandpappen sind direkt an die Anpressfalze geschoben und haben keinen Gelenkspielraum, wie ihn der technisch einfachere Lederband hat; die Heftbünde kleben außen auf den Deckeln oder werden nach französischer Manier durch die Deckel gezogen; solideste Einbandtechnik, zeitaufwendig. Der Name F. weist auf die aus Frankreich eingeführte Technik hin; im Französischen wird der F. «Reliure proprement dite » genannt.
Das Buch ist bei verschiedenen Antiquariaten noch zu haben. Aber Vorsicht, es ist selten, gesucht und recht teuer, so um die 25-40 EUROS müssen Sie schon für ein gutes Exemplar investieren. Dann haben Sie die gültigen Definitionen aus der Welt des Buchbindens auf dem Tisch. Das eine Exemplar bei ZVAB, das für 516 €, das lassen Sie mal, das ist sicher ein Tippfehler. Weil das Buch eines der berühmten und begehrten Werbemittel der Papierfabrik Zanders war, ist es natürlich in hauseigenes 134er Efalin, Leinenprägung, dunkelbraun, eingebunden. Es hat eine zweifarbige Rücken- und  Titelprägung und wurde auf Ikonofix gedruckt. Leider sind bei den meisten Exemplaren die Rücken ausgebleicht, das hat Efalin so an sich. 
Und jetzt verrate ich Ihnen, woher ich mein Exemplar habe. Das war ein Geschenk für Interessierte aus der Branche. Als Werbeleiter, der ich damals war, als leidenschaftlicher Zanders-Papier-Anwender, der ich immer war und als Verfechter von Werbegeschenken mit hohem Gebrauchswert, wuchsen mir die 135 Seiten geballtes Fachwissen völlig zu Recht zu, finde ich auch im Nachhinein.
Haben Sie Vorschläge, welche Einträge ich in den nächsten Wochen vorstellen soll? Bradel? Englische Broschur? Elefantenhaut? Französische Broschur? Weichmacherwanderung? Wiener Papp? Mach ich doch glatt. Beginnen werde ich mit dem Stichwort „Buchbinder, berühmt gewordene.” Sie werden schon sehen.

Dienstag, 1. Juli 2008

Hideko Ise — Sophie et le relier



Ein Buch für Kinder, ein Buch mit Bildern, ein Kinderbilderbuch übers Buchbinden? Ja, geschrieben und illustriert von der renommierten japanischen Illustratorin Hideko Ise. Ein feines Buch mit einem flotten, auch Kindern eingängigen Text und delikaten, stimmungsvoll aquarellierten Zeichnungen, das auch Erwachsenen mit seinen 60 querformatigen, durchgehend farbigen Seiten eine wahre Augenfreude sein wird.
Die Geschichte ist schnell erzählt: Sophies Lieblingsbuch hat sich in seine Bestandteile zerlegt. Man rät ihr, zum ‚Buchdoktor’ zu gehen. Dieser, als souveräner Herr über ein gigantisches „désordre” tut wie gebeten, er bindet Sophies Buch wieder ein. Nach allen Regeln der französischen Buchbinderkunst bekommt „petite” ihr Baumbuch wieder zurück, einschließlich einer individuellen neuen Titelgestaltung! Hideko Ise hat als erfahrene Illustratorin nicht nur diese Bilderbuchstimmung sehr treffend eingefangen, sondern sie hat darüber hinaus auch die Wirklichkeit einer Handbuchbinderei gut getroffen, in der elektrischer Strom anscheinend nur zur Beleuchtung genutzt wird. Zugegeben, ein wenig verklärt, aber Klotzpresse, Blockschneider, Pappschere, alles massive Geräte aus Hartholz und Eisen und alle muskelbetrieben, sind keine Phantasieprodukte. Viel Spass mit dem Buch. Wenn Sie kaufen wollen, ich hab's mir hier bestellt :: Link :: 

Sonntag, 29. Juni 2008

Hohes Lob für treue Dienste


Eines Tages konnte ich zum Schrottpreis eine wirkliche Kostbarkeit aus den frühen 60 Jahren kaufen: Eine Hebelschneidemaschine der Firma Schimanek. Ich habe vergessen, wie viele Kilo der Klotz wog, den ich mit meinem halbwüchsigen Sohn auf den LKW gehievt und in meinen Keller geschleppt habe. Schwer war's, wirklich, obwohl das Gerät zerlegt war. Das Messer lässt sich nachschleifen, sowieso, und auch, wenn man, wie mir geschehen, eine lose herumvagabundierende Heftklammer übersieht und so dem haarscharfen Messer zwei unnütze Zahnlücken per Hebelkraft aufzwingt.
Die HS 46 ist eine feine, rein mechanische Maschine, zuverlässig und ziemlich unkaputtbar. Und, siehe da, als ich dem Gerät etwas technischen Support angedeihen lassen wollte (Reinigen, Ölen, justieren nach Messer- u. Scheidbalken-Wechsel, etc.) bekam ich auf Anfrage umgehend vom Hersteller genau das was ich benötigte. Für eine neue Kurbel muss ich allerdings noch ein wenig sparen; Ersatzteile aus Guss mit präzise geschnittenen Gewinden kosten halt. Ein Blick auf die Schimanek-Website zeigt, dass deren Geräte immer noch in der Qualitätsklasse ‚heavy-duty’ zu finden sind. Und die hat halt ihren Preis. Ich habe Sie gewarnt. Aber wollten Sie nicht immer schon Ihren Enkeln etwas vererben, das diese auch wieder vererben können? Aber vielleicht lackiere ich das dicke Ding mal in Original-Harley-Davidson-Farben um

Artist’s Books

Oh, wie schön! Wer so lange Bücher bindet wie ich, den kann so schnell nichts mehr aufschrecken. Aber hier, Hut ab, hier gibt es viel Schönes zu sehen.  :: Link :: Mit besten Empfehlungen von Peter Verheyen & seinem Team, auch bekannt als die Macher von Bonefolder. Willkommen in der Bloggersphäre.

Selbst ist der Mann!



Mit bei ebay ‚geschossenen’ Produkten kann man seine helle Freude, aber auch seinen schwarzen Absturz erleben. Diesmal ging's gut. Das ersteigerte grau-beige Büttenpapier kam schnell, war gut verpackt und in Laufrichtung gerollt. Die Leerräume in der aus Aldi-Weinkartons zusammengeklötterten Emballage war mit verknitterten Bögen des gekauften Papiers ausgefüllt, diese also bestens geeignet, verlustfrei zu experimentieren. 
Ich habe ein paar Bögen probehalber gefalzt und geheftet, beschnittet und nach Roger-Green-Methode fertiggestellt. Auch das Bezugspapier für die Decke habe ich selbst gekleistert. ‚Pfingstrose hell’ heisst das Muster auf dem fertigen Buch mit Rücken aus hellgrauem Regentleinen. Muster II (neben Regent blau) nenn ich mal ‚Waldwiese’, weil mir sonst nix einfällt. Da ist die Decke fertig, aber den Block konnte ich nicht einhängen, weil mir erst nach dem Beschneiden wieder einfiel, dass das Messer im Hebelschneider mackig ist und noch nicht gegen das nachgeschliffene Messer ausgetauscht war. Die Blümelein müssen also noch warten, denn ein Buch mit einem allseitigen Freiraum von über 1 cm sieht echt erbärmlich aus. Denn soviel musste ich abschneiden, um den Block als solchen noch zu retten.

What a mess - Klebrige Notizen 1. Teil

Buchbinden ganz ohne Maschinen? Kein Problem! Gutes Handwerkszeug reicht. Buchbinden ganz ohne Kleber? Ja, geht auch, aber da betritt man eine eigene Welt, mit eigenen Gurus und deren mehr oder weniger instruktiven How-to-Anleitungen, mit eigenen Tags bei flickr und einigen individuellen Blogs. Koperten, coptic binding, books without paste and glue.
Möchte Hobby-Buchbinder/in jedoch ein klassisches Buch binden, möchte sie/er Herrn Bradel folgen, einen (Edel-)Pappband, einen Millimeterband schaffen, spätestens dann muss Klebstoff her. Da reden wir nicht lange um den klebrigen Brei herum. Kleister oder Buchbinderleim oder beides braucht der Mensch am Basteltisch. Alleskleber, 2-Komponentenkleber oder sonstige High-Tech-Super-Duper-Wahnsinnsprodukte gehören in die Werbung oder in den Weltraum, aber nicht in den Arbeitsbereich des Buchbinders.
Buchbinderleim ist ein Kaltleim ähnliches Industrieprodukt, das kauft man sich per Kilodose als Markenware oder No-Name-Produkt im Buchbindebedarf ‚online’ oder, wenn verfügbar, ‚over the counter’.
Kleister ist in verschiedenen Aggregatzuständen zu haben: Als Fertigprodukt ist geeigneter Kleister sauteuer, denn er steht dann meist in Bastelläden, wo sich ScrabbookerInnen ihre Kostbarkeiten kaufen. Für den Preis eines 125 ml Flakons kann ich glatt mit der Tram quer durch die Stadt zum BuBiBedarf fahren und komme mit einem Kilo feinster Profiware zum gleichen Preis zurück. Als Pulver (meist Methylcellulose) steht er spätestens im nächsten Baumarktregal. Dort sollte man jedoch darauf achten, dass das Kartönchen wirklich nur MC enthält. Denn wozu brauche ich beispielsweise den hohen Säureanteil, der den Schwertapetenkleister befähigt, sich am Kalkputz festzukrallen, in meinem Buch? Alternativ klaut man sich in der Küche ein Tässchen Mehl und die 4 - 4 1/2 fache Menge Wasser und kocht sich seinen Kleister höchstselbst und ständig rührend. Das kostet dann so gut wie nix und erfreut des Geizkragens Geldbeutel tagelang ganz ungemein.
Kleister also: Tapetenkleister (oder reine MC), ist nach aufgedruckter Gebrauchsanweisung angerührt, in weniger als 1 Stunde einsatzbereit. Ich erkenne das richtige Produkt daran, wenn hinten draufsteht, dass er für Kinderbastelarbeiten geeignet ist, also keine Pro- oder Anti-Zusätze enthält. Für hausgemachten Kleister wirft Googl jede Menge Rezepte zum Nachkochen aus, auch solche mit 405er Mehl. Meine persönlichen Erfahrungen sind: Ich benutze die beste Stielkasserolle aus der Küche, da brennt die Masse nicht so leicht an. Unter den fertigen, hausgekochten ‚Pudding’ klöppele ich, nein, kein Ei, sondern ein paar Tropfen eines farblosen Desinfektionsmittels, das hält die Pampe etwas länger frisch. Buchbinder früherer Zeiten nahmen Borax zu diesem Behufe. Der Versuchsansatz mit (Kleb-)Reismehl aus dem Asia-Laden wurde herrlich dick und kleberig, der Kleister ‚schwamm’ jedoch beim Kleisterpapiermachen auf dem (Bütten-)Papier und ließ sich nicht so leicht verreiben und mustern. Ein Kleister, aus handelsüblichem Mehl gekocht, brachte die besten Ergebnisse. Der im BuBi-Bedarf gekaufte Profikleister natürlich auch. Und wenn sich beim Gourmet-Kleister nach ein paar Tagen etwas Wasser an der Oberfläche absetzt, hilft, wie beim Kochen, nur Rühren. Aber das tu ich eh, bevor ich den Pinsel eintauche. Spätestens, wenn es beim Öffnen der Dose dem freien Buch- u. Papierkünstler den Atem verschlägt, sollte eine neue Charge angesetzt werden. Gealterter Kleister kann so gemein sein.
P.S.: US-Buchbindguru Keith Smith schreibt in seinem Opus-Magnus, Band III, dass er auch den noch warmen Kleister verarbeitet. Doch er kleistert auch ohne Makulatur auf dem Leuchtkasten, schreibt er, also warum nicht auch mit warmer Pampe? ;–)

Samstag, 14. Juni 2008

NEU: „Label Binding” nach Carmencho Arregui



Eine Buchbinderin, die ich sehr schätze, weil sie professionelle Perfektion und leidenschaftliche Experimentierlust erfolgreich miteinander verbindet, ist Carmencho Arregui (CA). Sie ist spanischer Herkunft, multikulturell (aus)gebildet, wohnt und arbeitet in Venedig, lehrt und lernt in ganz Europa. Sie ist über jeden handwerklichen Zweifel erhaben, sonst hätte sie nicht die Aufträge von Museen und Sammlern, von denen sie lebt. Sie hat sich darüber hinaus schon mehrfach die Aufmerksamkeit der Buchbindergemeinde gesichert, nicht zuletzt mit ihrer vielfach adaptierten Cross Structure Binding.
Vor allem ihre leimfreien Bindungen interessieren mich und auch, warum leimfreie Bindungen in den letzten Jahren solch weite Verbreitung gefunden haben. Dieses Frühjahr also mailte CA ihre Bekannten und Freunde an und wies auf ihre neueste Publikation hin: The Label Bindung :: Link ::
Dazu meine Erfolgsmeldung: Es hat funktioniert; auch mit vorsichtigen Abweichungen von CAs Arbeitsanweisungen. Mein fotografiertes Ausfallmuster ist vielleicht ein wenig farblos, aber vollständig aus vorhandenem Material gemacht: Büttenpapier, Büttenkarton, gewachster Zwirn. Das von CA geforderte Stück Pergament für das ‚Label’ habe ich mangels Material durch ein Kompositum aus handgeschöpftem Bütten und einem Stückchen Tyvek ersetzt. Netto-Arbeitszeit, vom Falzen und Beraufen des Velin-Papiers für den Block bis zur Fertigstellung des Büchleins ca. 1,5 – 2 Stunden, die sich durch Routine verkürzen lassen. An manchen Stellen ist etwas Feinmotorik gefordert. Die im Bild zu sehenden Löcher, im Original 0,5 mm groß und mit einem japanischen Puncher gestanzt, sind mir zu fett, beim nächsten Mal nehm ich halt die Vorstechahle.
Die Selbstbau-Heftlade nebst aktueller Modifikation, auf der CA-Website genau beschrieben, habe ich mit meinen handwerklichen Möglichkeiten angepasst. Im Original wurde zum Zurückhalten des Umschlags beim Heften des Blocks eine Metallstange zwischen die Schraubzwingen geschweißt. Ich habe ein passend zugesägtes Hartholzstäbchen namens ‚Riffelholz‘ mit zwei Kabelbindern befestigt. Das funktioniert bestens und CA wird es sicher nicht stören.