„Das Lesen wissenschaftlicher Bücher war nie mein Ding”, sach ich ma, wohl wissend, dass dieser flapsige Spruch nicht stimmt. Oder politisch ausgesagt, so nicht stimmt - mit der Betonung auf „so”. Quelle dieses Gedankenganges (ja, ja!) war die Beschaffung und das Lesen eines Buches: „J. A. Szirmai; The Archaeology of Medieval Bookbinding; Ashgate, Aldershot, Brookfield, 1999”. Darin schildert der hochbetagte Wissenschaftler, Lehrer UND Buchkünstler Szirmai seine Suche nach der wissenschaftlichen Literatur zu den frühen und frühesten Zeugnissen der Buchbindekunst.
Szirmai ließ sich - nach eigenen Worten - lässig oder gar fahrlässig, zu einer Reihe von Vorlesungen im Wintersemester 1987 in Amsterdam überreden, denn er vermutete in der renommierten Universitätsbibliothek alle von ihm in seinen Buchbinde-Archeologie-Forschungsprojekten vermissten „big handbooks”. Doch, für ihn sehr überraschend, fand er - nichts. Der Grund für die schmerzlich empfundene Lücke war schnell gefunden. Es existierte damals nichts handfestes, umfassendes zu dem Thema früher Buchbindearbeiten, den Koperten östlicher und westlicher Provenienz (copitc bindings).
Szirmai schrieb dieses Standardwerk schließlich nach jahrelanger penibler Arbeit und Dokumentation in Europa selbst. Darüber hinaus lieferte er nahezu alle wichtigen Illustrationen für die Publikation mit.
„Der Szirmai” geistere seit Jahren schon durch die Diskussionen der Buchbindefreunde und ging ein in die Quellangaben kleinerer Publikationen sowie größerer „How-to-Anleitungen” zum Thema „leim- und kleisterfreie Bücher”.
Weil der Preis für das erstklassig gemachte Buch nicht unerheblich ist (ca. 200 $ plus Versand für 352 Seiten) habe ich mich, Buchbindefreund Uwe sei's gedankt, bei der FH-Bibliothek Köln eingeschrieben, und mir das Buch für diesen Monat ausgeliehen. (P.S.: Da warten noch gut zwei laufende Meter weiterer Bücher und - ungemessen - Zeitschriften auf interessierte Leser. Welcher Lesestoff in der Universitätsbibliothek auf mich wartet, das muss ich bei nächster Gelegenheit angehen.
Durch den Szirmai durchgekämpft habe ich mich auch schon, in tapferer Zusammenarbeit mit einem dicken ollen Webster, welcher dringend nötig war wg. der elitärten, wissenschaftlichen Wortwahl des Autors.
Ich habe also gelesen und es hat mir Freude gemacht, obwohl Szirmai ein wissenschaftliches Buch, s/w-illustriert, mit vielen Fußnoten und einer bemerkenswerten Literaturtafel im Anhang veröffentlichte. Sein Stil ist für einen ungeübten, aber motivierten Leser eingängig, stellenweise sogar „süffig”, vor allem dann, wenn er seine persönlichen kulturhistorischen Erkenntnisse verbalisiert. Diese Stellen haben es mir besonders angetan.
Sein Motiv, das Buch zu schreiben, sagt mir genug darüber aus, dass die Buchbinderei, insgesamt gesehen, jahrhundertelang hinter der naschhaften Darstellung der Einbandgestaltung zurückstehen musste. Szirmais Forschungsergebnisse beklagen auch die Vernichtung von „antiken und frühmittelalterlichen” Koperten durch das mehrfache erbarmungslose Neubinden in modische, zeitgemäße Bibliotheksbände oder das Fleddern von frühen Büchern, um Material für Deckel, Rücken, Vorsätze und sonstige buchbinderische Aktivitäten zu „gewinnen”.
Einen Wermutstropfen musste ich vor ein paar Tagen einer amerikanischen Buchbindefreundin servieren, die davon ausgegangen war, dass der Szirmai auch Anleitungen für unterschiedliche „coptic bindings” liefert. Dies tut er nicht! Interessenten an einer der Urformen des Buchbindens müssen sich schon selbst weiterführende Gedanken, Pläne und Zeichnungen machen. Trotzdem: Meine uneingeschränkte Leseempfehlung, liebe Buchbindeinteressierte, für den Szirmai, das ist ein unverzichtbares Standardwerk.
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