Sonntag, 27. Dezember 2015

Buchbinders Feiertagsprojekt: 3 Bände Malraux Musée imaginaire

Seit dem Tag, an dem ich Walter Grasskamps Buch über Andre Malraux und ‚sein’ imaginäres Museum der Weltkunst las, wollte ich diese üppig bebilderten Bände haben, haben, haben.  Also beschaffte ich mir die 3 Bände grenzüberschreitend aus unterschiedlich(st)en Antiquariaten digital und auch analog. Das Forschen nach den richtigen Bänden wuchs sich zu einer spannenden, spaßigen Sucherei aus, zumal verschiedene Nachddrucke im Handel erhältlich sind. Mich aber interessierten nur die französischen Broschuren mit den eingeklebten Abbildungen, die ersten Ausgaben. Damit  wollte ich meine eigene Einbandgestaltung umsetzen. Für die drei Trouvaillen habe ich alles in allem (Porto aus Frankreich ist staunenswert teuer!) zusammen rund 100 € ausgegeben, was im Vergleich mit den Preisen für gebundene Ausgaben unschlagbar günstig ist.
Nun, so denke ich, in der Zeit, in der die Familie hinter dem Christbaum abgetaucht, Freunde das Weite gesucht und die Nachbarn verreist sind, habe ich genügend Zeit und Muße, meinen Plan zu realisieren.
Die 3 Malraux-Bücher erhalten eine
festlich-repräsentative Einbandgestaltung
Die Buchblocks sind geheftet, stabilisiert und beschnitten. Das Beschneiden war ein wenig tricky, weil ich dem Satzspiegel gefährlich nahe kam, als ich den Nikotinschmodder auf dem Beschnitt des ersten Bandes komplett entfernen und die beiden übrigen Bände an das entstandene Maß angleichen musste. Band 1 war wohl mit einem ungeeigneten Instrument schlampig aufgeschlitzt worden. Band 2 war unbeschnitten und im Band 3 waren nur einzelne Seiten sehr sorgfältig aufgeschnitten worden.
Der Einband bekommt ein Regentleinen in einem hellen Grau, einen schmalen gelben Lederrücken, ein wenig Wasserschlangenleder als Gestaltungselement, diskrete Gold- oder Silberprägungen und noch zu bedruckende (?) Vorsatzpapiere (gelbes japanisches Maschinenbütten). Über einen angemessenen Schuber denke ich erst nach Fertigstellung der Bücher nach.
Ich halte mich diesmal ausnahmsweise an Loriots Festtagsstatement: „Früher war mehr Lametta!” Das werde ich in diesen Tagen berücksichtigen.

Samstag, 19. Dezember 2015

Buchliebhabers Weihnachtsgeschenk: Klein aber oho!

Als Mitglied der sog. Kölnischen Bibliotheksgesellschaft, einer Vereinigung von Bibliothekswissenschaftlern, bibliophilen Sammlern, Bücher-Liebhabern und neugierig-bibliophilen Nasen wie ich eine bin, bekomme ich für ein bescheidenes Scherflein eine Jahresgabe. Diese fiel 2015 ebenso delikat wie klein und fein aus.

Feine Buchbindearbeit
aus der Werkstatt der Universitätsbibliothek Köln


Es ist der Nachdruck einer seltenen Archivalie mit dem herrlich altmodischen Titel: „Getreve, nach dem Original fein in Kupfer gestochene Abbildung des prachtvollen, von den Franzosen im Jahre 1794 hinweggenommenen Altarblattes unserer St. Peters-Pfarrkirche, die Kreuzigung des Apostels Petrtus vorstellend: nebst Beschreibung / Peter Paul Rubens.” Verfasser war der Kölner Sammler Ferdinand Franz Wallraf, dessen umfangreiche Kunstsammlung(en) Grundstock für viele aktuelle Museen in Köln wurden und jährlich eine unglaubliche Zahl interessierter Besucher anlocken. Wallrafs Bücher, jedenfalls der überwiegende Teil, befinden sich heute in der Kölner Universitätsbibliothek.
Das wunderschöne Bändchen wurde von den Buchbindemeisterinnen der Universitätsbibliothek zu Köln als „Schweizer Broschur” mit 2 Lagen geheftet. Die Vorsatzblätter nehmen die Farbigkeit des Rubensbildes auf.
Das Büchlein erfreut mein Buchbinderherz.

Mittwoch, 9. Dezember 2015

Stempeldruck für Amateure - von und mit Roger Green

Zweimal musste ich den lange geplanten Workshop „Stempeldruck” bei dem Wuppertaler Buchbinder Roger Green verschieben. Nun im dritten Anlauf habe ich es endlich geschafft, mir auch Rogers Drucktechnik anzueignen. Für diesen in England geschulten, mit Deutschlanderfahrungen reichlich versehenen und in Frankreich publizierenden Buchbinder gilt, dass er sein Wissen mit seinen Workshopteilnehmer_innen gerne und großzügig teilt. Diese lohnen es ihm durch aktives nimmermüdes Mitarbeiten. Gerne werden auch seine Anregungen aufgegriffen und fluchs in eigene Ideen und Lösungen umgesetzt - zur Freude des Meisters.
Wie der Name des Workshops signalisiert, zum Stempeldruck bedarf es eines oder mehrerer Stempel, im Linolschnitt oder einer anverwandte Technik hergestellt, wobei Roger nicht dogmatisch ist. Es gilt das gelungene Blatt. Linoldruckfarben bester Qualität und verschiedene Materialien zum Stempelschneiden lagen bereit. Die schönen antiquierten Maler-Musterrollen (Patronierwalzen) waren nicht so der Hit, die Teilnehmer_innen schnitzten liebevoll eigene Muster.
Einige Beispiele für Stempeldruck und Akryl-Farbexperimente
auf schwarzem Fotokarton.

Später am Nachmittag konnten wir mit Akrylfarben experimentieren und, der kunsthistorisch Gebildete würde sagen, wir haben „Farbe-Technik-Experimente, Zufallstechniken” gemacht. Was wir im Kleinen fabrizierten, kann man im Max-Ernst-Museum in Brühl auch auf großen Formaten in Perfektion bewundern: Muster sind entstanden, von skuril bis gruselig, halt klein und handlich.
Roger erläuterte auch ein paar Techniken, schönen Blätter zu konservieren, sei es mit Fixativen oder auch mit - ja - Bohnerwachs. Solche Blätter habe ich schon mit Erfolg als Bezug und als Vorsatz verarbeitet. Mit BB oder NN verklebt, werden diese Arbeiten mich um Jahrzehnte überleben.
Für 2015 hat der Lernspaß ein Ende; schaunmermal was das nächste Jahr bereit hält.

Samstag, 28. November 2015

Ist das Kunst oder gehört das gebunden?

Paul Renner — Künstlerbuch
»Abfall De-Luxe«
Katalog 8 Antiquariat Clemens
Paul Renner — Künstlerbuch
»32 meist sonderbare Pilze«
Katalog 8 Antiquariat Clemens

Der österreichische Künstler Paul Renner (geb. 1957) ist ein überaus aktiver Mensch, mit zahlreichen Werken in Museen und Sammlungen. Er ist im transatlantischen Kunsthandel vertreten mit Zeichnungen, Kollagen, Objekten, Vorträgen, Veranstaltungen, Arbeiten auf Leinwand, Papier, Pappe, Linoleum, Teppich, Ton, Brettern, Bauplatten usw. usw. und, natürlich, mit „Kunst(objekten) in Buchform”.
Das Buch-und-Kunst-Antiquariat Werner Clemens, in erster Linie auf die Literatur der Moderne der 60er, 70er und 80er Jahre, die Wiener Aktionisten und Konkrete sowie Experimentelle Poesie spezialisiert, bietet in seinem Katalog No. 8 rund 60 Werke von Paul Renner an. Darunter fand ich, neben einigen starken Bildern und Zeichnungen einige wenige aufmerksamkeitsstarke „Kunstobjekte in Buchform”. Darüber hinaus hat Renner gerne  individuell gestaltete, großzügig ausgeführte, mehrfarbige Einschläge entworfen. Damit hat er industriell gefertigte Bücher und Kataloge „aufgepimpt” und zu hübschen Sammelobjekten gemacht.
Warum ich mich in Bezug auf seine „Buchobjakte” so gewunden ausdrücke? Das liegt schlicht daran, dass ich mich, auch als Amateurbuchbinder, gerne an die global geltenden Definitionen für Bücher halte. Trotz und alledem, begeisterten mich Renners „Buchobjekte” nicht wenig, nachdem ich vor den buchbinderisch notwendigen Standards fest die Augen verschlossen halte.
Der Mann nutzt, nicht nur bei seinen dreidimensionalen, umblätterbaren Objekten erbarmungslos alles, was ihm unter seine Künstleraugen kommt: Farben, Textilien, Klebstoffe, Klebebänder, Andrucke von Werbekatalogen, Ephemera, nichts ist ihm zu bescheiden oder zu extrem. Er unterwirft schier alles seinen künstlerischen Zielen.

Beispiel 1:
»Abfall De-Luxe«
Das ist ein Künstlerbuch von 1985 mit handschriftlichen Texten, Zeichnungen, Gouachen und Collagen auf einem Katalogprospekt. Der Folio-Einband wurde ebenfalls vom Künstler gestaltet. Auf dem Vorsatzblatt machte er handschriftliche Erklärungen, signierte und datierte; ein Unikat. Renner hat Hartkartoneinband  mit Textilklebeband eingefasst, mit montierten, farbig übermalten Siebdrucken, 28 nicht nummerierte Seiten mit farbigen Abbildungen.

Beispiel 2:
»32 meist sonderbare Pilze u.a. Gewächse wie Funghi molto volgari«
Das Antiquariat Clemens bietet dieses Buchobjekt, Nr. 13 von 32 nummerierten und signierten Exemplaren mit einer lose beiliegenden farbigen Original-Zeichnung an. Renner hat einen handgefertigten Kalbsledereinband mit Acryl, Tusche und Bronzefarbe bemalt. Das Buch enthält 32 Farb-Faksimiles, auf schwerem Aquarellpapier montiert und ebensoviele Pilzbeschreibungen.

Bei Interesse bitte eine Email an Antiquariat Werner Clemens.

Donnerstag, 26. November 2015

Ein Recycling-Buch oder: Alles Reste oder was

Während meiner Zeit in der Behindertenwerkstatt, einem veritablen Grafischen Betrieb, kam ich - Zufall oder auch nicht - mehrmals am Tag an der Sammelkiste des Papierschneiders vorbei. Dabei fand ich gelegentlich Papier- und Pappabschnitte, die ich vor dem gierigen Schlund des Altpapierhändlers „retten” konnte. Weil das abgegebenen „gute” Abfallpapier nach Gewicht abgerechnet wurde, entstand der Werkstatt ein Schaden im Rahmen von wenigen Cent. Doch für den Amateur-Buchbinder waren die kleinen Beutestücke unbezahlbar. Daraus und den schönen Resten aus der Sammelkiste für Leinen und Leder, die sich im Laufe eines 30jährigen Amateur-BuBi-Lebens ansammelten, wurde dieses „Müllbuch” gebaut.
Den Block habe ich aus 70g/qm Fein-Schreib-Chamois geheftet, Vor- und Nachsatz stammt von dem leider nicht mehr aktiven Buntpapierer Salmen aus Bonn. Den Einband baute ich aus 1,5 mm Maschinenlaufpappe, bezogen mit der Deckschicht eines lebensmittelechten Versandkartons. Durch trickreiches Beschneiden wurde daraus dann ein personalisiertes Schreibbuch, mit dem ich mich für einige gute Tips und Tricks in Bezug auf ein paar meiner geheimen Privatprojekte bedanken konnte, ganz davon abgesehen, dass dadurch auch ein ordentlicher Umsatz generiert wurde.

Ein „eisiges” Recycling- und Resteverwertungsbuch

P.S.: Die nach einem 10 min. Wasserbad abgelöste Deckschicht eines Versandkartons
von guter Qualität  lässt sich ganz hervorragend kaschieren.

Mittwoch, 11. November 2015

Spachtelpapier - (m)ein freudiges Wiedersehen

Zwischen 1994 und 1996, das Datum habe ich vergessen, besuchte ich mit meiner Buchbinde-Freunding Inken Martensen ein Buntpapier-Treffen in Landau. Eingeladen hatte der Buntpapierer René Salmen aus Bonn, bekannt für seine beeindruckenden Marmor- und Kleisterpapiere. Das Treffen fand in den Räumen der Buchbinderei Müller statt. Nach einer überaus informativen Führung durch die Räumlichkeiten der Buchbinderei wurden kurze Referate und kleine Diskussionsrunden angeboten. Einige der eingeladenen Buntpapierer zeigte auch ihr Können oder verkauften ihre Arbeitsergebnisse. Noch heute zehre ich von den expressiven Blättern René Salmens und einer holländischen Marmorier-Künstlerin, die ihre viktorianisch anmutenden Blätter leider nicht gestempelt hat.
Ein in meiner Erinnerung „älterer Herr” zeigte uns etwas, was er Spachtelpapier nannte. Leider überlagerte sich seine Demonstration mit einem anderen Programmpunkt. Ich war abgelenkt, erinnere mich aber noch an seine Technik und seine Anmerkung, dass die Farben in seinen Kunststoff-Dosierflaschen „Offsetfarben” seinen.
Als mir irgendwann in meinem Fortbildungsdrang einfiel, doch diese Papierdekoriertechnik näher kennenzulernen, fand ich nichts verwertbares. Der Gedanke daran verließ mich nicht und so war ich froh, dass ich von der berühmten Buchbinder-Fortbildungseinrichtung Buchbinder-Colleg in Stuttgart ein freundliches o.k. bekam, an dem ausgeschriebenen eintägigen Kurs zum Thema teilnehmen zu dürfen.
Mal abgesehen von dem hervorragenden Arbeitsumfeld mit aller Technik, die den Amateur-Buchbinder erfreut, und der professionellen Kursleitung, die hoch zu loben ist, habe ich mich in diesen Räumlichkeiten sehr wohl gefühlt. Die Reise hat sich für mich gelohnt. Und nun, gelernt ist gelernt, werde ich, zusätzlich zum Kleisterpapier, gelegentlich auch Spachtelpapiere machen. Doch das bedarf, bei aller Schlichtheit der angewandten Technik, sorgfältiger Vorbereitung.
1. Basis sind Offsetfarben, die mit Öl so aufgerührt werden, dass sie sich am Kopfende des zu schmückenden Papierbogens als dickere Tropfen applizieren lassen.
2. Dann ergreift man umgehend einen sog. Japanspachtel und zieht mit mehr oder weniger Druck den Farbtropfen nach unten.
3. Nach einem blitzschnellen kritischen Kontrollblick sollten mit einem schmäleren Spachtel die überschüssigen Farbstreifen vorsichtig auch nach unten gezogen oder auf der Makulatur abgestreift werden.
4. Das fertige Blatt ruht dann ein wenig in waagerechtiger Lage abseits vom Arbeitsplatz und kann dann für 24 - 48 Stunden an einem Wäscherack endgültig trocknen.


Spachtelpapier, von grell bis dezent, alles ausprobiert.
Beispiel-Blätter aus dem Stuttgarter Kurs.
Doch Achtung! Das ganze Verfahren ist eine ungeheuerliche „Schweinerei”! Mit ein wenig Planung lässt sich das Verfahren auch auf kleinem Raum anwenden. Offsetfarben haben ein flottes, artgerechtes „Wegschlagverhalten” und trockenen, laienhaft ausgedrückt, relativ schnell, hinterlassen aber bei unsorgfältigem Verhalten überall ihre Spuren, auch da, wo man sie überhaupt nicht erwartet hätte, beispielsweise auf der Kleidung. Die ältesten T-Shirts kommen so noch mal zu Ehren. Der Spachtelpapierer braucht also viel Makulatur, Putzlappen, Einweghandschuhe, Plastikbecher und Einwegspritzen (ohne Nadeln natürlich). Wer Verdünnung oder anverwandte Chemie verwendet, achte darauf, die Putzlappen nicht in einem geschlossenen Behältnis zu lagern, die Gefahr, dass sich der Kram selbst entzündet, ist nicht gering. 

Sonntag, 16. August 2015

Cologne Book Art — Japanischer Holzschnitt

Der Samstagnachmittag ist, wenn man weiß, wo was stattfindet, ein angenehmer Zeitraum, um sich in der regionalen, unabhängigen Kulturszene zu tummeln.
Das Kölner Rheinufer hat sich in den vergangenen 20 Jahren sehr gemausert. Aus einem vernachlässigten Schmuddelquartier entstand ein schönes Vorzeigeprojekt mit modernisierten alten Lagerhäusern und famosen Neubauten.

Vom Schmuddel zum Glamor —Rheinufer reloaded
Im Schatter der Kranhäuser entstand und lebt in einem alten Gemäuer das Künstlerhaus „Rhenania”. Dort veranstalteten einige Interessierte die „Cologne Book Art”, eine Veranstaltung, die (noch) ohne die etablierten in Köln und Umgebung ansässigen Großmuftis der Verleger- und Händlerzunft auskamen. Neben einfachen, handgemachten Publikationen (eine Lage getackert) fand ich kleine, feine Drucksachen, durchaus in Sammlerqualität was Inhalt und Haptik anlangte. In einer Ecke der alten, weißgetünchten Lagerhalle habe ich ein wohlsortiertes, angenehm präsentiertes Sortiment antiquarischer Künstlerbuch-Trouvaillen, Poster und Ephemera entdeckt. 
Der Cologne Book Art ist zu wünschen, dass mehr von den leidenschaftlichen Autoren, Gestaltern, Druckern und Verlegern  (Frauen wie Männern) sich ein Herz fassen und an einem der Tische ihre  Ideen, ihre unikaten oder multiplen Produkte nicht nur den bereits bekannten Insidern präsentieren. Platz dafür ist noch vorhanden. 


Cologne Art Book im Künsterlaus Rhenania
So groß war der Wechsel der Kulturen gar nicht, habe ich mir auf dem Heimweg gedacht. Denn von den individuellen Klein-Verlegern zum Japanischen Holzschnitt war es ein Fußweg von 20 Minuten durch das alte urkölsche Severinsviertel, an dessen Rand das Japanische Kulturinstitut TENRI seine Ausstellungs- und Veranstaltungsräume unterhält.
Eingeladen wurden wir zu einem Vortrag von Tatsuo Kawashima (Kyoto), einem Holzschnittmeister, dessen Arbeiten erstmalig in Europa im TENRI ausgestellt werden. Diese Arbeiten üben auf  den Liebhaber europäischer moderner Kunst einen eigenartigen Reiz aus. Es sind farbig sehr japanisch gestaltete Blätter, deren Druckstöcke, manchmal sind es 25 Stück für ein Blatt, nach den alten traditionellen Ukio-e Techniken geschnitten und gedruckt werden; jedes Blatt einzeln in großer Ruhe und feinmotorischer Gelassenheit.
Demonstration der Kunst, auf kleinstem Raum Farbholzschnitte zu drucken.
Und alles, was man dazu braucht. liegt vor Meister Kawashima: Klein, fein, exklusiv.
Meister Kawashima erklärte den komplexen Schnitt- und Druckvorgang in wohlgesetzten Worten, unterstützt, übersetzt und interpretiert vom Chef des TENRI und von einem weiteren Dolmetscher. Beiden Herren war leider nicht bewusst, dass jeder Arbeitsschritt, jedes Druckdetail und auch jedes Werkzeug des Ukio-e einen eigenen Namen hat, den allerdings nur diejenigen kennen und zu deuten wagen, die sich bereits im japanischen Kunsthandwerk auskennen. Mein Erstaunen galt dem großen  Interesse am japanischen Holzschnitt, immerhin waren rund 50 Menschen zu dem Vortrag erschienen. Auch hier war die Zielgruppe überschaubar, Insider auch hier.


Samstag, 18. Juli 2015

Karibari - japanisches Trockengestell für feine Papiere

   Schon vor etlichen Monaten begann ich nach einer leichtgewichtigen Lösung, meine selbst eingefärbten und farbig dekorierten Papiere zu trocknen. Ich konnte die krummen Pappen und die schweren  Span- und sonstigen Platten nicht mehr sehen. Dazu ist zu sagen, dass mein BuBi-Arbeitsplatz recht klein (ca. 4 qm) ist und ich alles quer durch's Dreissiger-Jahre-Reihenhaus treppauf-treppab schleppen muss. Dann fand ich die ersten Hinweise auf die japanischen BuBi-Werkstätten, die auf wenigen qm schaffen. Ich habe recherchiert und fand die ersten Hinweise auf das Karibari, „the japanese drying board”.
   In einem hübschen youtube-Film erläuterte und zeigt der sehr kenntnisreiche Chef eines amerikanischen Papierrestaurierungsbetriebes, wie ein Karibari gebaut wird. Es ist ein ambitioniertes Stück Arbeit mit einer jahrhundertealten Tradition. Ein weiterer Beweis, dass die so leicht und einfach daherkommenden Lösungen es wirklich in sich haben können.
   Ein Karibari ist ein Lattengerüst, idealer Weise aus japanischer Zeder gefertigt und mit Bambus-Keilchen zusammengehalten. Das Gerüst wird, je nach Schule, mit mindestens fünf, gerne auch mit bis zu neun Schichten feinsten Washis bezogen, mal großflächig, mal kleinteilig. Und schließlich mit Kakishibu, einem Fermentationssaft aus unreifen japanischen Kaki-Früchten oberflächenbehandelt. Was mich besonders faszinierte, waren die wenigen Zutaten zum neuen Arbeitsgerät: Ein paar Holzlatten und Splinte, ein paar Bögen Washi, Shofu-Kleister und Kakishibu-Saft. Das war's.
   Im Film nennt der Restaurator japanische Papiere, die ich unter seinen Bezeichnungen nirgendwo, auch nicht in Japan gefunden habe. Vor seinen Begriffen (brands, regionale Spezialitäten, Händlerbegriffe etc.) musste selbst eine kundige japanische Mitarbeiterin bei einem der namhaften Washi-Hersteller passen.
   Ende letzten Jahres erhielt ich aus Weißenburg i. B.  persönliche Notizen und eine schwedische, aber verständliche „Bauanleitung” von einer studierten Restauratrin, im Netz „papierfrau” genannt; und in Mailand fand sich ein Lieferant für das Lattengerüst und für Kakishibu. Nach Italien kam ich, weil  japanische Unternehmen in der Mehrzahl höchst ungern nach Übersee liefern.
   Das benötigte Washi fand ich in Deutschland bei der alt-eingesessenen Firma Japico. Aber bestellen konnte ich erst, nachdem ich mit Sorgfalt den dankenswert transparenten Bericht von einer Veranstaltung in Dublin, im Chester Beatty Institute zum Karibari verinnerlicht hatte. Ein paar zusätzliche, nützliche Infos sowie noch mehr Motivation bekam ich von einer der Restauratorinnen dort, Louise O'Connor, die ich 2011 in Montefiascone kennengelernt hatte.
   Ich fasse zusammen: Ich habe mich strikt an die Empfehlungen aus Bayern und aus Irland gehalten. Wichtig war auch ein Hinweis, dass jeder einzelne Schritt eine längere Trockenzeit braucht („let dry over night”). Was mir gelegentlich abging waren mehr Erfahrung mit Washi und Jin Shofu, der wg. seiner doppelten Rektifizierung ungeahnte Mengen an klebrigstem Kleber ergab. Eine gelegentlich helfende Hand wäre auch nicht schlecht gewesen, gab es aber nicht.
   Und dann die Wunderdroge Kakishibu. Nach jeder aufgepinselten Schicht durchzog meine Behausung ein zarter Duft nach Kuhstall-Frühstück. Der Kaki-Saft-Duft war dem der fermentierten Rübenschnitzel, die in der Rheinischen Tiefebene - vornehm als Silage bezeichnet - an die Kühe verfüttert werden, ziemlich nahe, allerdings wesentlich zarter, lag aber tagelang in der Luft.
Karibari ruht nun („let dry for 2 to 3 month”) im Dachgeschoss und der produktive Herbst kann kommen.
Karibari-Grundgerüst, Vorderseite 1x bezogen, Tengujo (12g/qm)

Karibari, Vorder-u.Rückseite
mit je 5 Schichten Washi bezogen

Die finale Oberflächenbehandlung
mit Kakishibu auf der Terrasse


Montag, 29. Juni 2015

Unbekannte Technik schwere Lagen zu heften?

Mein hochgeschätzter, allererster Buchbindeguru, Heinz Krons, reagierte muffig, wenn einer seiner Schützlinge beim Heften das 15mm-Köper-Heftband getroffen hatte. Dann hieß es, bis zu der bösen, bösen Stelle alles wieder aufzubördeln und alle gelösten Lagen ordentlich neu zu heften. Denn, das war für ihn (und alle deutschen Buchbinder, die ich kenne) eine Art „Heftungsqualitätskontrolle”, wenn sich das Heftband vor dem Ableimen bequem in den Heftstichen auf-und-ab bewegen ließ. Wenn nicht, s.o.
Heute, bei einem Facebook-Besuch eines heimeligen Buchbinde-Ateliers in Frankreich fand ich diese Fotos.


Hier wird klar erkennbar dokumentiert, dass der Buchbinder für seinen Cartoon-Sammelband die extrabreiten Heftbänder sogar planmäßig 2 x fix eingenäht hat. Heinz Krons wäre spätestens jetzt ohnmächtig geworden.
Ich sehe das zum ersten Mal und frage schüchtern in die Runde, ob das einer meiner Leser_innen schon mal gesehen, goutiert, selbst angewendet hat? Ist das vielleicht eine Technik, schwere Lagen präzise zu heften? Ich bin mal gespannt.



Samstag, 27. Juni 2015

Wieder was gelernt : Archivboxen bauen

In Roger Greens Kurs (in seiner just eingeweihten neuen Werkstatt) habe ich sein System gelernt, Archivboxen zu bauen. Basierend auf 2 mm BuBi-Pappe und verschiedenen Bezugsstoffen, Roger bevorzugt Euro-Buckram, war ich einigermaßen erfolgreich, kein Wunder bei ihm als aufmerksamen und strengen Lehrer. Zu Hause habe ich schnell das Erlernte nachempfunden, sonst bleibt nix haften, jedenfalls nicht bei mir. Und, siehe da, es hat funktioniert, obwohl die notwendige feinmotorische Piddelsarbeit ein paar winzige aber sichtbare Fehler bereit hielt. Eine Box für das WPK-Format, bezogen mit Original-DDR-Friedensware-BuBi-Leinen (in Gold) ist schon weg, die hat einer Freundin gut gefallen. Sie will darin ihre kleine Sammlung Kunstpostkarten griffbereit ins Regal stellen.

v.u.n.o.: Die Wuppertaler A4-Lehrbox, auch Drop Back Box genannt, mein Exemplar für A5 in Naturleinen und eine Mini-Box, passend für ein kleines feines Büchlein, in Römerturm-Bütten gehüllt und mit einem Rest von Tanjas Sprenkelpapier ausgekleidet. 
Vor ein paar Monaten schrieb einer der Buchbindeprofis in seinem Blog, dass der Bau einer (1) Schachtel ein großer Spaß sei; dass aber der Bau von 240 identischen Archibboxen Schinderei sei. Das kann ich nun nachvollziehen. Wenn Roger sein „Drop Back Box”-System veröffentlicht hat, werde ich seine Erkenntnisse hier abdrucken.

Mittwoch, 24. Juni 2015

‚Elegante’ Bücher binden

Wer kann wirklich von sich und seinen Bucheinbänden behaupten sie seien ‚elegant’? Viele sind alles andere; im besten Falle anders: avantgardistisch, ausgeflippt, materialintensiv, goldglänzend, bibliophil  … usw. usw. Aber elegant gebunden, danach sucht man oftmals vergebens. Seit Jahren schon lungert dieses Bildchen auf meinem Rechner herum, so lange, dass ich die Quelle völlig verschwitzt habe. Ich zeige es trotzdem. Das kleine gestochene Buchbinder-Etikett stammt wahrscheinlich aus dem mittleren bis späten achtzehnten Jahrhundert und erinnerte die vielen vor der Revolution geflohenen französischen Buchliebhaber daran, dass auch in England erstklassige Buchbinder arbeiten, nicht nur im gelobten Land des Franzbandes. 

Einfach schön ist das Buchetikett
des Herrn Tuck aus der Paternoster Row.

Samstag, 20. Juni 2015

Karibari zum Ersten

Ein Karibari ist ein (ur)altes, bestens bewährtes japanisches Arbeitsgerät; stabil und leicht zugleich. Es dient dem glatten Auftrocknen feiner Papiere. Es besteht aus einem Weichholz-Gerüst, im besten Fall aus japanischem Zedernholz. Die von mir mühsam gesucht, gefunden und gekauften Leisten scheinen allerdings nicht von so edler Herkunft zu sein. Mein Schreinerkollege in der alten Messebau-Werkstatt antwortete in solchen Fällen, in denen er gefragt wurde, was das denn da für ein Holz sei: „Das ist ein Vogel-sitz-drauf-Holz!” Schätze ich habe Tanne bekommen. Der Bausatz (120x90cm) kommt auch nicht aus Japan, sondern aus Italien, war aber in der Preisgestaltung sehr japanisch.
Das Zusammenstecken der vorgesägten Leisten zog sich hin, weil ich halt nicht so der ingeniöse Durchblicker bin. Alles was über einen Bucheinband oder auch eine Archivbox hinausgeht, braucht halt seine Zeit. Sehr nützlich und erstaunlich gut funktionierend waren die beigepackten feuergehärteten Splinte aus Bambus, spitz, scharf und stabil. So stabil, dass ich sie mit dem Hammer an die vorgesehenen Stellen fixieren konnte.
Ein Weichholz-Lattengestell
ist das Skelett eines jeden Karibari.

Das Gestell misst 120x90 cm. Entsprechend habe ich das notwendige washi bestellt. Das wird dann mit Kleister unterschiedlicher Viskosität und Klebekraft in fünf Schichten aufgepappt. Jede Schicht muss mindestens 24 Std. trocken. Dann muss Karibari ein paar Wochen im Ganzen trocknen und ruhen. Im Herbst/Winter, wenn ich meine verschiedenen Versuche, Papier nach meinen Vorstellungen zu dekorieren, realisiert habe, kann es, wie man so schön sagt, ‚losgehen’

Mittwoch, 17. Juni 2015

Für Anna : Bücherduft

1960 erschien ein Büchlein des Autors Fridolin Tschudi bei Bertelsmann mit bescheidenen 66 Seiten, welches sich ausschließlich und lt. Titel mit dem „Glück mit Büchern” beschäftigt. Daraus, ungekürzt zitiert, ein Dreistropher, exklusiv dem Geruch von Büchern gewidmet.

Es riecht im Zirkus und im Zoo,
beim Zahnarzt oder Gerber,
im Gaswerk (und auch anderswo)
nicht wie beim Sortimenter so
manierlich, sondern derber.

Zwar im kosmetischen Bereich
riecht's köstlich allenthalben,
doch beispielsweise im Vergleich
mit Wolfskehl, Dehmel, Benn und Eich
statt lyrisch mehr nach Salben.

Der Duft der Druckerschwärze steigt
wie Weihrauch in die Nase,
wobei man Ernst und Würde zeigt
und dennoch schnuppernd schwelgt und schweigt
inmitten der Oase.

Jut wah?!
Frech abgetippt in „Philobiblon - Vierteljahresschrift für Buch- und Graphiksammler, Jahrgang 40, Heft 3, Sept. 1996. Auch von Tschudi noch'n Gedicht, dem juten alten Jöthe nachempfunden, hier: http://reimfein.net/_ggg/gedichte/goethe_tschudi.htm

In einer anderen Publikation fand ich den beim ersten Abtippen eigentlich nicht vermissten Rest, quasi also eine ‚extension‚‘.

Man soll sich deshalb - denkt daran! -
mit Büchern nur befassen,
von denen (siehe Weib und Mann)
man weiß, daß man sich riechen kann
und daß sie zu uns passen.

Vernunft- und Liebesehen sind
verschieden; selbst beim Buch, mein Kind!

Sonntag, 14. Juni 2015

Kastenbau nach Roger Green : hermetisch, praktisch, systematisch

Schachteln verschiedener Art habe ich bereits einige gebaut. Manche sogar mehrfach, solange bis „es” gepasst hat. So ist das halt bei Amateuren. Gestern nun habe ich bei dem von mir sehr geschätzten Wuppertaler Buchbinder Roger Green [ http://www.buchbinderei-green.de/ ] das Bauen von Kästen nach seinem System gelernt. Rogers Kästen schließen dicht, sie sind praktisch, denn sie haben äußerlich keine staubfangende Kante und schließlich systematisch, sie werden exakt nach Plan realisiert. Das war ein schöner workshop. Jetzt muss ich nur noch das Green'sche System verinnerlichen, der Kastenbau nach try-and-error hat ein Ende.

Art=ist Joerg Czischke · Nachlass · Das Werkstattbuch  des Künstlers
ist ein veritables „Hand-Buch”. 
Art=ist Joerg Czischke · Nachlass · Das „Hand-Buch” im Rohbau

Samstag, 30. Mai 2015

Lesefruchtig: Ein japanisches Buch über das Buchbinden auf engstem Raum


Der Titel des 1941 erschienenen, ursprünglich im Japanischen Stil gebundene Buch ist in der Bayrischen Staatsbibliothek zu finden. Dort habe ich es, in Pappe und Elefantenhaut fest eingebunden, „ferngeliehen”. «Zukai Seihon noshu - Die [jap.] Kunst Bücher zu binden 製本の種». Autoren/Herausgeber waren Tosaku Ueda; Taro Shimo; Takeo Takei; Kunio Onchi. Den Originaltext kann ich nicht lesen. Das stört mich aber nicht, denn das Buch ist, wie so vieles in Japan, mit hervorragenden Zeichnungen illustriert. In diesem Fall ein wenig holzschnittartig, das tut dem Verständnis überhaupt keinen Abbruch.

falzen
Hier möchte ich nur ein paar für europäische Augen bemerkenswerte, vielleicht auch kuriose Zeichnungen vorstellen. Ich mach das nicht ironisch oder hochnäsig, sondern voller Bewunderung für die bis ins kleinste durchdachte fernöstliche Handwerkskunst. Wichtig ist dabei zu wissen, dass auch heutzutage in Japan Platz für Leben und Arbeit knapp, kostbar und teuer ist. Deshalb wurde auch an vielen handwerklichen Fertigkeiten und Vorrichtungen seit Jahrhunderten nichts geändert. Warum auch?


beschneiden
heften

pressen
Lediglich beim (gruseligen) Beschneiden des Buchblocks, eingepresst zwischen Brettern, mit japanischem Papiermesser und nacktem Fuß würde ich Einspruch erheben, da ich weiss, wie scharf die halbrunden Klingen sein müssen, um schartenfreien Beschnitt zu liefern. Dieses Brettchen mit dem zentriert gebohrten Loch, das ist auch so ein japanisches Multi-Talent, denn es dient gelegentlich zum Rückenrunden beispielsweise, sagt jedenfalls dieses schöne Buch.

P.S.: Ich habe versucht, eines der japanischen Papiermesser via Internet zu beschaffen. Resultat: Nicht zu bekommen. Weiss vielleicht jemand Rat? Geheime Verbindungen?





Montag, 18. Mai 2015

Vom Nichts zum Nichts : Ein begehbares Buch

«Vom Nichts zum Nichts» Begehbares Buch als Leporello:
Idee, Text, Fotos, Grafik, Umsetzung und technische Realisation:
Eberhard Maurer, 
Mein Freund Eberhard Maurer, den ich über die Buchbinderei und die Behindertenwerkstatt Palette kennen- und schätzen gelernt habe, hat sich einen jahrelangen Traum erfüllt. Er präsentierte gestern im Familiengarten sein begehbares Buch „Vom Nichts zum Nichts” der Familie, seinen Freunden und Nachbarn. Das war - hoffentlich - der Probelauf für viele noch kommende Präsentationen in der Öffentlichkeit.
Das Buch, ein Leporello, hat er auf dem Rechner geschrieben und gestaltet, mehrere Fotoreihen selbst fotografiert. Er druckte das gesamte Werk mit einem Pigmentdrucker auf Farbriano-Bütten aus und assemblierte sämtliche Detailbilder in präziser Kleinarbeit. Die gesamte Technik, die Stützen, die Halterungen etc. hat er speziell für dieses Buch konstruiert und selbst gebaut. Alle 58 Seiten finden in einer großformatigen Mappe zur Aufbewahrung Platz.
Auf Seite 1 sind alle nebeneinander laufenden Stories mit ihren Headlines aufgezählt. Eine Auswahl der streckenweise sehr wissenschaftlich anmutenden Themen, die aber alle populär formuliert und ausgesprochen plakativ umgesetzt wurden: ZehnHoch · Dass Innenleben der Quarks · Kölner Dom · Bibel · Gilgamesch · Koran · Das geheime Bewusstsein der Pflanzen etc.
Den Titel seines Werkes entwickelte er aus dem kalligraphierten japanischen Zeichen ‚mu’. Seine Bedeutung ist schlicht ‚das Nichts’ oder auch das ‚das Nichtsein’. Aber, wie es in der japanischen Kultur oftmals der Fall ist, kann das Schrift-/Bildzeichen auch ganz anders gelesen oder verstanden werden, denn es entsprang einem uralten Bildzeichen, das einen im Federkleid tanzenden Schamanen zeigt. Das Zeichen hat ein riesiges Potential, es „enthält alle Möglichkeiten zu jedem nur irgend gearteten Sein in sich”, so Eberhard in seinem Vorwort.
Natürlich hat er auch einen „Wanderführer” zu seinem begehbaren Buch ausgelegt, immerhin schlängeln sich da über 26 m Buchseiten im Format 90x52 durch den Garten. Wenn wieder eine Ausstellung ansteht, werde ich berichten, wo und wann. Ich jedenfalls bin begeistert von diesem Projekt.


Wie sich ein über 25 m langes Leporello in einem Garten
unterbringen lässt, zeigt der Schattenwurf auf dem Rasen. 

Mittwoch, 6. Mai 2015

Auch schön …

Jörg Czischke · Nachlass · Skulpturen · verschiedene Fundstücke · Kaltleim · Pigment 

Freundschaftsdienst

Mein früh verstorbener Freund, der Künstler Jörg Czischke, hat ein umfangreiches Ouevre hinterlassen: Bilder, Zeichnungen, Skulpturen und, nicht zuletzt, Buchobjekte. Seine Freunde haben beschlossen, nun auch auf facebook aktiv zu werden, auch um verstreute, in den 70er und 80er Jahren verkaufte Arbeiten zu lokalisieren und zu dokumentieren. Deshalb werde ich zwischen meinen persönlichen Posts gelegentlich, so wie hier, ein Bild und/oder eine passende Information platzieren.
Jörg Czischke Nachlass - Buchprojekte
Von den Buchprojekten sind hier vier der großformatigen Kassetten abgebildet. Der Solitär unter ihnen ist ein Werk, das Czischke als „Paraphrasist” gestaltet hat und das im Schaufenster der legendären Kölner Buchhandlung von Walter König ausgestellt war. Czischke wählte einen der kürzeren Texte des von ihm bewunderten Arno Schmidt, Caliban über Setebos, eine Orpheus-Geschichte, tippte sie fehlerfrei auf A3 großes handgeschöpftes Büttenpapier bester Qualität ab und paraphrasierte, illustrierte, collagierte, zeichnete, aquarellierte, schablonierte - kurzum, er zeigte in der Gestaltung dieses Buchprojektes sein ganzes subtiles Können. 

Samstag, 28. März 2015

Aldinen und ein auf blau gedruckter Foliant

Neulich hatte ich die besondere Gelegenheit, mir in einer wunderschönen Privatbibliothek einige Aldinen anzuschauen und, das war mir wichtig, einige „breitrandige” Exemplare zu vermessen. Denn, wie schrieb einer der überaus gelehrten englischen Autoren, H. G. Fletcher III, 1988 in seinem Buch „New Aldine Studies” sinngemäß, dass nur sehr wenige Aldinen im Original-Octav-Format überlebt haben, weil doch die Buchbinder „woefully” die Buchblocks ohne Erbarmen beschnitten hätten. So manches der kleinen, feinen Bücherlein des Herr Aldus Manutius erlitt dieses Schicksal gleich mehrfach. Also habe ich gemessen und bin zufrieden, da ich mich für das geplante Aldus-Manutius-Projekt in Montefiascone ein wenig vorbereiten konnte. 
Darüber hinaus begeisterte mich der Sammler, der mir dankenswerter Weise seine Schätze ausbreitete, durch sein Wissen und seine Art, mich auf ein paar Feinheiten hinzuweisen. Mir fielen - neben anderem, buchbinderisch speziellem, zwei kuriose Details auf. Ich sah ein paar wenig beschnittene Aldinen, die von einem ihrer Leser/Besitzer von Hand, mit spitzer Feder und schwarzer Tinte paginiert worden waren. Das erstaunte mich schon. Dann fand Ich eine Ausgabe, ebenfalls von Hand paginiert, aber anders als es schon lange weltweiter Standard ist. Wir paginieren rechte Seiten (Schöndruck) ungerade und linke Seiten (Wiederdruck) gerade. Dieses  Exemplar war fortlaufend oben rechts auf der rechten Seite paginiert. Es war nach Seite 1 nicht die linke Seite mit  2 sondern die nächste rechte Seite nicht mit  3 sondern mit 2 paginiert. Verwirrend.

In einem anderen Exemplar fanden wir eine Paginierung auf dem Kopf stehend, Seite 67, 68, 96, 70. Ein kleiner Schelm, der inkunable Herr Sezzer aus dem Hause Manutius.

Dann tauchte eine Frage auf, die ich mir nicht beantworten konnte, als ich erstaunt in diesem Folianten blätterte
LE RIME DEL PETRARCA BREVEMENTE ESPOSTE PER LODOVICO CASTELVETRO EDIZIONE CORRETTA ILLUSTRATA, ED ACCRESCIUTA, TOMO PRIMO. IN VENEZIA, MDCCLVL (1795)
PRESSO ANTONIO ZATIA. 

Doch bevor Teufel Fliegen frisst, greift er zum Handy.
Deshalb bitte sich den Rotstich wegzudenken …

Der Foliant hat einen Buchblock, gedruckt auf ein wunderbar plan liegendes blaues Papier, einem modernen Tosa-Bütten nicht unähnlich. Vor- und Nachsatz waren aus belanglosem vergilbtem Papier gemacht. Das Blau des Blocks  ähnelt edelalten, ausgewaschenen Jeans. Ich kannte die Farbe von den Skizzenbüchern des Herrn Turner aus „Kattunpapier”, die in weiches Leder gebunden waren. Turner, so ist dokumentiert, skizzierte seine Rhein-, Mosel- und Ahr-Tal-Ansichten während des Gehens und rollte nach angemessener Trockenzeit seine Skizzenbücher ein, verschnürte sie und versenkte sie im Gepäck. So fand ich Beispiele vor Urzeiten in einer Ausstellung auf der Festung Ehrenbreitstein oberhalb von Koblenz.

Nun meine Frage: 
Wer weiss wann die ersten Bücher auf blaues Papier gedruckt wurden? 
Oder: Kann mir jemand einen Tip geben, wo ich diese Frage platzieren kann, um eine gesicherte Antwort zu bekommen?

Dienstag, 3. März 2015

Was soll das Wehgeschrei …

… das Buch braucht Stütze. Das gestrige Lamento ist bei meinen BuBi-Freunden nicht ungehört verhallt. Und so bekam ich einige überaus nützliche Tips, wie Hängebüchern sach- und fachgerecht zur alten Haltung verholfen werden kann. Ich habe mich dazu entschlossen, einen knapp bemessenen Schuber aus 1,5 mm Maschinenlaufpappe und flott abhärtendem Fischleim zu bauen. Vor dem Kaschieren mit leichtem Kraftpapier habe ich am Boden einen genau in Höhe, Breite und in den Abständen zu den Seiten bemessenen Distanzschuh aufgeleimt. So kann ich mit ein wenig Vorsicht das über 2,5 kg schwere Buch hineinbuchsieren. Es ist nun von allen Seiten gestützt und steht schön gerade im Regal. Ein Liegeplatz wäre schöner gewesen, lässt sich aber im Moment nicht realisieren.
„With a little help from my friends”
kann das Buch nun wieder Haltung annehmen.

Montag, 2. März 2015

LAMENTO: Geiz ist ungeil

Bedauerlicherweise stehen mir die dramatischen Mittel eines barocken Lamentos nicht zur Verfügung, nicht im richtigen Leben, nicht im digitalen. Also schreibe ich nun meinen Frust über ein Buch als Lamento nieder. Gestern, am Sonntag, zog ich ein großformatiges Buch aus dem Regal und musste feststellen, dass es allein vom lotrechten (!) Stehen im Regal völlig schief geworden war. „Schief gelesen” schreiben manche Antiquare, wenn sie ihre betagten Bücherlein anpreisen und nicht wollen, dass diese stante pede wieder als Reklamation in den Laden zurückkehren.
Was habe ich mich über dieses Buch, es erschien 2012 in Deutschland bei Dumont, gefreut: « Mathieu Lommen; Das Buch der schönsten Bücher, 464 S., ca. 50 € », gespickt voll mit Abbildungen herrlichster historischer Bücher, begleitet von kundigen Beschreibungen und Kommentaren. Schön sind die Doppelseiten gestaltet, die Totalen von Büchern und Illustrationen, die Minis von den Details, die Bildunterschriften dazu, alles bestens. Über die in neongrässlichen Prozessfarben vollflächig zugepatschten Zwischenblätter und dto. Vor- und Nachsatz habe ich mal gnädig hinweggeblättert. Die machten auf mich einen billigen Eindruck. Wozu dieses halbstarke, nebbiche Stilelement vollflächig mit CMY in ein Buch über schöne Bücher eingebracht werden musste, bleibt wohl Geheimnis der holländischen Büchermacher.
Gestern nun bei meiner kleinen Privat-Recherche nach Original-Einbänden aus der Zeit vom alten Manutius musste ich feststellen, dass der Buchblock sich gut sichtbar gesenkt hatte. Ich habe die Distanz von dem fipsigen Kapitelbändchen zur Rückenpappe gemessen: Es waren es immerhin 6-7 mm, die sich der Block nach vorne begeben hat. Von oben gemessen hat sich der Buchblock nun schon gut 12 cm gelöst.
Das Gewicht des Buches bleibt Schätzung, da meine Küchenwaage nur bis 2,5 kg anzeigt. Das Dilemma ist einfach zu erklären. Der fadengeheftete Buchblock ist für den gewählten Einband und die lächerliche, wohl betriebswirtschaftlich verordnete, krankhaft geizige  Kunststoffklebetechnik viel zu schwer. Mal abgesehen davon, dass die Einbandpappe lange nicht die Qualität und die Festigkeit einer Maschinenlaufpappe besitzt, sondern irgendwie hohl und aufgeblasen wirkt. Möchte wetten, dass, sollte ich meine Drohung wahrmachen, das Buch neu einzubinden, ich demonstrieren kann, wie aus Billigwellpappe und oberflächenbehandeltem Offsetpapier Bucheinbände im Format von ca. 33 x 25 cm maschinell gefummelt werden. Ich kenne das von asiatischen Fotoalben aus dem Billigsupermarkt.
Was soll ich tun? Ich versuch's mal mit einem knapp bemessenen Pappschuber, quasi als Korsett, und beobachte den Effekt.

Sonntag, 15. Februar 2015

Buchbinders Hack, vom Nutzwert geprägt



… oder auch: Schön ist anders! Aber hallo, die richtigen, die professionellen Geräte sind sehr teuer, müssen sie ja auch sein, sie sollen viele Jahre funktionieren und sind entsprechend massiv ausgestattet. Für mich als mutigen Gelegenheitsblind- und -goldpräger (äh, 'tschuldigung, goldfarbiger Schlagmetallpräger) reicht dieses Kleinod elektromechanischer Hackerkunst völlig. 
Die Heizquelle ist eine elektrische Reise-/Mini-Heizplatte (ca. 13 cm Ø), auf der die wahren Kaffee-Snobs sich mit der entsprechenden Kanne den gewohnten Expresso aufbrühen. Montiert ist das Teil(chen) auf einer sog. Siebdruckplatte (Baumarkt-Zuschitt 1,–). Die Ablagemimik für die Prägestempel und Fileten habe ich mir aus ein paar Drahtbügel (Chem. Reinigung) zurechtgebogen und in 2mm-Löchern versenkt. Vorher noch ein paar Lüsterklemmen als Halt für die Handgriffe aufgezogen, fertig ist die Laube, äh der Hack. 

Sonntag, 18. Januar 2015

Die Märchen der Brüder Grimm in der Urform

90 Jahre Buchkunst ·
Präsent wie am ersten Tag *)

Nebel-Sonntag-Archivkisten-Fund: Die Märchen der Brüder Grimm in der Urform. Nach der Handschrift von Franz Schultz; Zweite Jahresgabe der Frankfurter Bibliophilen-Gesellschaft 1924; gedruckt in der Breitkopf-Fraktur von Gebr. Klingspor, Offenbach, Exemplar 136 von 155. Alle Exemplare gingen an im Druckvermerk namentlich genannte Empfänger. Holzschnitte von Willi Harwerth in Mehrfarbendruck. 
Um den Originaltext zu lesen und gelegentliches Unverständnis abzubauen, empfiehlt sich der Blick in das Wörterbuch der Brüder Grimm, welches [ hier ] kostenlos und online zur Verfügung steht. 
Technisch ist das Büchlein, mal abgesehen davon, dass es „altersbedingt gebräunt ist” und „im Schnitt etwas unfrisch” ist, innen tadellos in Ordnung. Gedruckt auf einem handgeschöpften Bütten (ohne Wasserzeichen) sind Schrift und die Schnitte absolut brilliant. Der Kopfschnitt wurde gelb gefärbt, die restlichen drei Seiten sind original Büttenrandig und nur gelegentlich berauft. Das Papier ist nahezu klanghart, eine heute noch sehr selten zu findende Qualität. 
Der Buchbinder hat auch ganze Arbeit geleistet und das Buch als veritablen Edelpappband mit Pergament-Kapital- und Ecken-Verstärkung ausgestattet. Von den Pergament-Ecken sind gerade mal 2 mm zu sehen. Natürlich wurden die Kapitale mit einer hauchfeinen Seide handgestochen. 
Leider ist das bedruckte Material der Titelseite stark gedunkelt und mir scheint, dass die wirtschaftlich schwierigen Zeiten (1924!) auch in der Wahl der Einbandpappe und des verwendeten Klebers heute ihre Spuren deutlich sichtbar machen.
Aber was soll das Genöle: Das kleine Buch lebt, ist hervorragend zu lesen und die Illustrationen sind entzückend. Ich habe ihm einen säurefreien Einschlag verpasst und einen guten Platz im Regal zugewiesen.
*) P.S.: Ich musste nicht mit Photoshop nachhelfen. Der Standart-Scan gibt den Original-Zustand 1:1 wieder.

Mittwoch, 14. Januar 2015

Gürtelbuch - girdlebook

Eine wiederaufgelegte Dokumentation in englischer Sprache zum Thema „Gürtelbuch - girdlebook” lässt sich  [ hier ] ganz offiziell, legal und kostenlos herunterladen. Artes del Libro ist eine schöne, gehaltvolle Website mit eigener latein-amerikanischer Sichtweise, schließlich schreibt der Betreiber alles in spanischer Sprache, er ist Mexikaner. Und in Mexiko gibt es Buchschätze in den Bibliotheken und Museen, da werde ich als Deutscher ganz schwindelig vor neidvoller Bewunderung.

Kurzer Beutel-Exkurs, 10 Jahre zurück. Als Mitglied eines Buchart-Portals nahm ich gelegentlich, wenn es mein damals sehr angespanntes Zeitmanagement erlaubte, an den sog. „book swaps” teil. Eines der Themen war „girdle book”. Mein Exemplar (Bild 1) ging nach Neuseeland und ich bekam aus Bonn von meiner Buchbinde-Mitstreiterin Hilke Büchertiger ein völlig neu gedachtes Exemplar (Bild 3), für das ein bekanntes Möbelhaus sein unkaputtbares Transportmaterial opfern musste.
Die meisten Swaps waren recht spaßig und - typisch für Amateure und Buchkünstler_innen - von abgedreht bis technisch hochfein. Ich habe damals zum ersten Mal einen großen Lederlappen geschärft. Dabei habe ich gelernt, dass schärfen eine ganz schöne Sauerei sein kann (Bild 2).


(1) Zilligs girdle book für Neuseeland, 
mit „Sicherheitsverschluss” und Fake-Bernstein-Schließe

(2) Wer „ins Leder machen” will muss schärfen,
vor allem wenn es kein „richtiges” Buchbinderleder ist.
(3) Hilke Büchertigers mutiges, unkaputtbares girdle-book.
Es hängt seit dem an meinem Papierregal.


Scherzlein am Ende: Ich wurde gefragt, ob das schöne, weiche Leder Rehleder sei. Ich habe wahrheitsgemäß geantwortet, nein, das sei Sofaleder. Ich hätte es von einem solchen heruntergeschnitten bevor es zum Sperrmüll kam. Das hat sich gelohnt, pekuniär gesehen, auch wenn das Schärfen eine Schinderei war.

Donnerstag, 8. Januar 2015

Spiralbindung/Plastikeffektheftung: Ich krieg noch den Fön *) …

Neulich habe ich bei lulu.com Hedi Keyle's Festschrift als Nachdruck bestellt, weil ich bei einem Freund gesehen hatte, dass in dieser Privat-Publikation - über die Würdigung einer der führenden Buchbinderinnen hinaus - eine Menge direkt zu verwendender Informationen, Tips und Instruktionen enthalten sind.
Also bestellt. Leider waren lose Blätter nicht zu haben und so kamen die Digitalkopien (auf 80g/qm) spiralgebunden, was für Seminar-Handouts, Werkstatthandbücher etc. durchaus angebracht ist. Trotzdem stören mich diese Dinger aber gewaltig, weil sie im Buchregal wie ein Schluck Wasser in der Kurve herumhängen, was natürlich auch den Hobby-Buchbinder und sein sensibles Design-Empfinden für Bücher arg stört.
Der Festschrift habe ich die dusselige Spirale entzogen (wörtlich zu nehmen), die dann überflüssigen Löcher im Streifen abgehobelt, Louet's ingeniöse Lumbeck-Presse mit dem Papierpacken gefüllt, nachdem ich die Laufrichtung (längs zur Leimkante) ermittelt hatte. Tut man das nicht und leimt trotzdem gegen die Laufrichtung, ähnelt dann das Werk eher einem farblosen Stück Donauwellen.
Den Rücken habe ich 1 mm tief für die nützliche Zwirnsfadenverstärkung eingesägt und nach Vorschrift und Erfahrung mit Planatol BB rechts und links eingepappt, Gaze übergestülpt, angerieben und die Presse auf Druck gestellt. Am nächsten Morgen habe ich noch einen Leinenfälzel umgeleimt. Fertig ist das Werk. Es sieht nun fast wie ein richtiges Buch aus. :D

Hedi's Festschrift lumgebeckt und leinengefälzelt und
mit einem lieben Gruß an Audra's Gil I

*)
Wg. Wortwitz: Schlaumeier & Naseweis wissen, dass die Erfindung des Herrn Lumbeck aus Remscheid im englischsprachigen Raum „fan binding”, manchmal auch „best bind” genannt wird.