Wenn ein Block aus Bögen oder schrecklicherweise aus Einzelnblättern besteht und diese nicht mit Zwirn, Draht, Bändern oder Kordeln sondern mit Klebstoff zusammengehalten werden, dann nennt man das Klebebinden. Bereits im 19. Jahrhundert (wahrscheinlich sogar früher) haben Buchbinder damit experimentiert, das mühevolle, zeitraubende Heften durch andere Techniken zu ersetzten. Sie nannten ihre innovative Klebetechnik „patentieren”.
Andererseits verwendete man schon vor 1850 für die immer größer werdenden Buchauflagen gerne verzinkte oder auch Reineisen-Heftklammern unterschiedlicher Größe in maschinell betriebenen Heftautomaten. Von den Folgen, wenn säurehaltiges Papier mit Gazestreifen zusammengetackert wurde und der Rücken aus dicken Schichten von Buchbinder- oder Tierleim und Shirting bestand, können diejenigen von uns ihr Klagelied singen, die versucht haben, ihre altersschwachen Meyers oder Brockhaus-Bände mit den herrlichen Illustrationen neu einzubinden.
Es soll auch Versuche noch vor 1900 gegeben haben, Klebebindungen aus Kautschukverbindungen herzustellen. Kurzfristig waren diese Experimente erfolgreich, langfristig sind jedoch kaum Beispiele überlieferter Bindungen erhalten, da sie die unangenehme Eigenschaft hatten auszuhärten und vollständig und irreparabel zu zerbröseln.
Nach der Erfindung durch Emil Lumbeck (1886–1979), der seine Klebebindung aus einer Kombination von Hart- und Weichleimen herstellte, nennt man seit dem den gesamten Vorgang „lumbecken” (im englischen nennt sich das „best bind”). Die Feinheiten dieser Bindetechnik sind Manchem suspekt, dabei ist das wichtigste schnell dargestellt (siehe Abb. oben). Nicht im Bild ist das sorgfältige Abpressen des geleimten Rückens und das Hinterkleben der Bindung mit Gaze oder Papier.
Ob das Aufrauhen des trockenen oder eingepappten Papierstapels mittels Ahle oder Raspel die Bindung verstärkt, dazu hat jeder Buchbinder seine eigene Meinung und seine Erfahrungen gemacht. Ich habe bei meinem Buchbinde-Guru Krons auch eine Klebebindetechnik gelernt, bei der wir den Papierstapel vorsichtig 1-1,5 mm eingesägt haben und dann in den Riefen durch den Leimauftrag Heftfäden eingezogen haben.
Krons, der in Zeiten größter wirtschaftlicher Not Gewerbelehrer in Köln war, hat uns auch eine erfolgreiche Lumbeck-Technik gelehrt, die ohne Gaze oder andere geeignete Textilien zum Hinterkleben auskommt. Ein laufrichtungskorrekter Streifen Kraftpapier wird pitschenass gemacht und kräftig ausgepresst. Das so völlig verschrinkelte Stück Packpapier wird noch feucht auf die Leimung aufgerieben. Getrocknet hält das bombenfest und ist ebenso flexibel wie Gaze.
2 Kommentare:
Lieber Peter,
Mein Buchbinder Onkel benutzt wirklich eine Ahle, noch besser er hat sich einen alten Schraubenzieher angespitzt und "verletzt" damit das Papier. Er benutzt dafür ein Gerät, das ich sonst noch nirgens gesehen habe, aus Metall, zwei Teile zum Zusammenschrauben, 10 Zentimeter hoch, man spannt den Block ein, legt ihn aufgeschuppt auf die Metallfläche und los gehts.
Unvorstellbar. Damit hat er 40 Jahre lang in Duisburg Hamborn alles gearbeitet was in diesem Stadtteil anfiel und 100e Bände Märchen und Familiengeschichte und wer was was und das ist immer noch stabil. Deine Zeichnung hat mir gefallen, ich überlege immer noch wie ich mir so ein Ding selber baue. Ich weiß bei Louet auf der Messe hab ich so ein Gerät gesehen, das ist bestimmt toll und ich kaufe mir auch so was, aber erst wenn ich nicht mehr Pleite bin. Dein Tipp mit dem nassen Kraftpapier ist toll. Ich hab das so probiert: Nass gemacht, ausgequetscht, und vorsichtig mit BB eingepinselt und dann aufgepappt. Das ist super! Man spürt, dass das stabiler ist als Gaze. Danke für den Tip, für den post, bis dann.
Herzliche Grüße
Klaus
Klaus, hi, meine Erfahrung aus vielen Jahren: Jede(r) Buchbinder(in) hat(te) seine eigenen Techniken, Geheimrezepte und Gerätschaften. Und jede(r) andere tut genau das Gegenteil und es funktioniert auch. So ist das, wenn Kunst und Handwerk zusammengehen.
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