Mittwoch, 24. Dezember 2008

Der Klotz oder Das Missale des Grauens




Mein Sohn Stefan, der sich als Freier Grafiker (zusammen mit einem Partner) die größte Mühe gibt, seinen Kunden zielgruppen-orientierte und ästhetisch ansprechende Gestaltungslösungen zu liefern, hat für ein paar Monate diese täglich wechselnden Eye-Catcher der Kölner Boulevardpresse ‚gesammelt’. Aus den Loseblattbergen wünschte er sich ‚ein Buch’. 
Nun denn, hier ist es als Weihnachtsgeschenk, und der geneigte Leser möge mir den lauen Vergleich mit einem mittelalterlichen Missale verzeihen. Rein äußerlich gesehen fehlen nur noch die Verschlüsse und vielleicht die Kette zum Anschließen des kostbaren Werks an das Vorbeterpult. Inhaltlich ist es eine Dokumentation des alltäglichen Grauens einer deutschen Großstadt: Mord und Totschlag, Verbrechen jeglicher Art, Klüngel und Intrigen, Bestechung, Behördenwahn, Verkehrschaos - Köln ist aus Sicht der Eye-Catcher wirklich kein besonders hübsches Pflaster.
Der Klotz wiegt ca. 4 kg und ist ca. 30 x 50 x 5 cm groß. Die Poster, auf 90 g Billigpapier gedruckt und 2 mal gefalzt,  habe ich nicht gezählt. Der Einband ist eine riskante Mischung aus Album und asiatischer 6-Loch-Bindung. Dafür musste ich ein schönes Stück meines wertvollen schwarzen irischen Leinengarns opfern. Für den Einband habe ich 3er BuBi-Pappe mit einem Papier bezogen, das dem alten Malerkrepp ähnelt, keine definierte Laufrichtung aufweist und mit schwarzer teer- und harzhaltiger Farbe besprüht worden war. Das zähe, etwas streng riechende Zeug wurde früher in Autotüren und unter Hutablagen verklebt. 

3 Kommentare:

Büchertiger hat gesagt…

Ein eindrucksvoller Klotz! - Gefällt mir. Und die Bindetechnik würde mich weiter interessieren: Vom Stich her eine Blockheftung nur in einem Einband Rücken, oder ist es etwas komplizierteres?

pzillig | vuscor hat gesagt…

hi, Hilke, ja, richtig, das ist eine Mischung aus Album und Blockheftung; Umschlag mit einem Scharnier, das sich komplett nach links öffnen lässt; geheftet durch Block und Umschlag. Einband und Block habe ich separat vorgebohrt und dann zusammengefügt. Insgesamt ‚klotzige’ Arbeit, aber was tut man nicht für die Familie :D

pzillig | vuscor hat gesagt…

Nachklapp: Ich schrub im post, dass ich „ein schönes Stück meines wertvollen schwarzen irischen Leinengarns” zu opfern hatte. Ich musste sogar 2 Stücke opfern, weil der erste Versuch beim Durchziehen irgendwann Zicken machte. Warum? Hm, ja, da hatte wohl ein irischer Schlaukopf beim Spulen drei Stücke mit klasssischen Weberknoten zu einem Stück gemacht und nicht daran gedacht, dass Buchbindernadeln und Fadenstärke nicht nach Millimetern gemessen werden. So kanns gehn im Buchbinderland.