Samstag, 13. November 2010

Buchbinden - Märchenbuch wie neu

Vor etlichen Monaten half ich einer charmanten Online-Bekannten, hinter einigen ererbten Kunstwerken herzurecherchieren, die ihr Vater bei einem mir geläufigen Galleristen erworben hatte. Als Dankeschön schickte sie mir dies:

Bilder nvb

„Neuer deutscher Märchenschatz. Mit 30 vierfarbigen Bildtafeln. Verlag Scherl Berlin SW 1905.”
Das war ein in Jahrzehnten abendlicher Vorlesearbeit ehrenvoll gealtertes Märchenbuch mit schwer geschädigter Bindung, ohne Rücken, aber vollständig, jedoch auf gedunkeltes, wabbeliges, stark holzhaltiges Papier gedruckt. Die Seiten am Beschnitt brüchig und fehlerhaft. 
Merkwürdige Märchen sind darin zu finden, allesamt wohl Neudichtungen vom Anfang des vorletzten Jahrhunderts und geschrieben von Menschen, die sich kaum noch ergoogeln lassen. Zu einigen Illustratoren konnte ich Infos finden. Typo und Grafik sind eine wüste Mischung aus neualtdeutscher Fraktur und aufkommendem Jugendstil mit flotter Gestaltung und mutiger  Farbgebung, gedruckt auf Kunstdruck-Papier in ganz frühem Offset. 
Die Einbandpappen ließen sich nicht mehr verwenden. Fadenheften war auch nicht, da so gut wie alle Lagen im Bruch defekt waren, anfängliche Klebeversuche mit Japanpapier habe ich schnell aufgegeben. Also schnitt ich den alten Rücken komplett ab, nachdem ich die rostigen Klammern vorher einzeln aufgebröselt und gezogen hatte. Mit Hilfe der Lumbeck'schen Klebebindung bekam die Sache wieder Halt, allerdings sind sämtliche Versuche, den Rücken zu runden, fehlgeschlagen; deshalb dann die gerade Form.


Halbleinen, tintenstrahlbedruckter Rücken, Bezug Zerkallbütten, ebenso das neue Vorsatz. Ein gerettetes Blatt des alten Vorsatzes habe ich als (falschen) Frontispiz eingebunden. Das Füchslein stammt von dem schwer beschädigten zweiten Blatt.


Hat da wer eine Idee, was ich mit dem wiedererstarkten kaiserlichen Märchenbuch tun soll? Sammelt da wer Märchenbücher? Möchte Frau v. B. aus H. das Buch zurückhaben, um daraus den Enkelchen etwas werteerhaltens vorzulesen? Gerne erwarte ich Vorschläge!


4 Kommentare:

Wilfried hat gesagt…

Ich stoße den Buchblock vor der Klebebindung in eine halbrunde Form um die Rundung zu erreichen.

pzillig | vuscor hat gesagt…

Ja, Wilfried, das mach ich auch, normalerweise, sonst wird das nix mit der Rundung. Ich wollte den post nicht zu lang werden lassen und habe die Sache mit dem seltsamen Papier weggelassen. Dieses Papier reagierte schon sehr ungewöhnlich. Es ist einerseits, typisch für gealtertes & stark holzhaltiges Papier sehr brüchig. Andererseits hat es sich nur widerwillig lumbecken lassen. Es ist, obwohl eingespannt und auf ein Papprohr gestellt, eingesackt, also negativ gerundet. Das habe ich noch rechtzeitig gesehen und habe den Rücken gerade aufgeschlagen. Nu isses gerade, immerhin. ;–)

buechertiger hat gesagt…

schön geworden, gefällt mir gut!

Anonym hat gesagt…

Hallo Herr Zillig,
mir sind Ihre Email und Ihre Adresse perdu gegangen....bekomme ich bitte Ihre Daten nochmals?
Viele Grüße! NvB
nvb @ arcor . de