Freitag, 5. November 2010

Buchbinden macht neugierig - Marmorieren

Seit Jahren schlummerte in einer meiner Ablagekisten ein wahrer Schatz, sträflich ignoriert. Weil mich das Häuflein Fotokopien mitleidig ansprach, habe ich ihm aus einem Rest dunkelweinrotem Römerturm Vor- u. Nachsatz angeleimt, gelumbeckt, den Rücken mit 3f-Gaze stabilisiert, beschnitten und mit 2 Stücken durchgefärbter schwarzer 2-mm-Pappe sowie einem Streifen weinrotem Iris eine ‚Steifbroschur’ verpasst. So konvertierte das Häufchen Papier zu einem lesbaren Buch, mit 45 Seiten eher ein ‚Büchlein’, das auch noch aufrecht im Regal stehen kann.
Schnell durchgeblättert fällt mir sofort auf, dass es 1940 erschienen ist. Damit ist auch die gewöhnungsbedürftige Typografie erklärt, die den Text in reiner Fraktur gemäß der damals noch herrschenden Nazi-Ästhetik erscheinen ließ.
Ein wenig hinter dem Titel des Herrn Weiße herrecherchiert, fand ich einen ziemlich hohen Preis im Antiquariat, ca. 70 - 80 € für ein Original in bescheidenen Zustand, einen nur gering reduzierten Preis für handeingebundene Fotokopien (ca. 45 - 50 €) und einen Spitzenpreis für eine englische Übersetzung in den USA (500 $, limitierte Auflage, Hardcover).
Das Original ist zwangsläufig streng limitiert (worden), da lt. amerikanischem Antiquariatstext Most copies of the original Die Kunst des Marmorierens were destroyed in a World War II bombing raid.”
Und nun freue ich mich nicht nur über das hübsche Büchlein in meinem Regal, lese mich demütig durch das altbackene, aber liebevoll formulierte Deutsch des berühmten Professors Weiße (ja, ja!) , der auch ein begnadeter Buchbinder gewesen sein muss, nein, jetzt bin ich auch noch stolz, den ‚Weiße gerettet’ zu haben.



2 Kommentare:

Sibylle hat gesagt…

Hier muss ich aber mal herbe widersprechen. Fraktur ist keine Nazischrift. Ganz im Gegenteil. Darüber gibt es vieles zu lesen, ganz vorzüglich liest sich die Geschichte der gebrochenen Schrift bei Martin Z. Schröder in der Berliner Zeitung.

Zur Lektüre empfohlen sei auch sein Druckerey-Blog.

pzillig | vuscor hat gesagt…

Sibylle, dein herber Widerspruch ehrt dich, geht aber leicht daneben, denn ich schrub von der damals noch „herrschenden Nazi-Ästhetik”, nicht von einer Nazischrift. Danke für deine Lesetips, die sich teilweise schon in meinem Fraktur-&-Nazi-Design-Ordner befinden. „Juden-Schwabacher”, dazu zitier ich nur den ollen Liebermann: „Dem Schwein ist allet Schwein!”.