Montag, 6. August 2018

Diderot : Schöner Zuschlag für mich

Die „Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers” der Herren Diderot und d’Alembert ist wohl ein Wunschziel vieler Buchliebhaber. Schließlich spiegelt sie das Wissen des 18. Jahrhunderts bis zur Revolution. Die weithin bekannten Abbildungen sind auch nach mehreren Besichtigungen, auch mit Hilfe einer Lupe, ein Genuss.
Gelegentlich erscheint eine komplette Version mit über 30 Foliobänden auf Auktionen, allerdings für Normalsterbliche nur schwer erreichbar. Die letzten Hammerpreise, an die ich mich erinnere, lagen je nach Erhaltungszustand, Einbandschönheit und Herkunft nie unter 35.000 € (zuzügl. der üblichen Prozente für Auktionäre und Fiskus).
Ich habe letzthin in einer Internet-Auktion auf einen kleinen Teil (Glasproduktion) locker mitgeboten und den Zuschlag bekommen. Der Preis war summa summarum komfortabel, trotz der horrenden Versandgebühren.
Der Zustand dieses aus einem „gemetzgerten” Konvolut stammenden Teiles würde ein professioneller Antiquar mit „unfrisch, altersbedingt gebräunt, Randläsuren … etc.” beschreiben. Die Seiten sind unbeschnitten, die Tafeln  alle hervorragend gedruckt und - bis auf eine - fleckenfrei.
Was ich bis dato noch nie im Original gesehen habe, ist die eigentümliche Heftung. Da wurden mit feinem Zwirn ein Teil der Lagen mit einem eigentlich für Einzelblätter vorgesehenen Stich zusammengeheftet und munter über die defekte, ursprüngliche provisorische Heftung hinweg gestochen. Die Lagen wurden nicht abgeleimt.
Ich denke mal, ich werde jedweden Zwirn entfernen, die Risse reparieren, das Teil neu heften und edel einbinden, es handelt sich immerhin um eine Ikone.
Diderot - Heftung

Diderot - alte, provisorische Heftung

Freitag, 6. Juli 2018

Radieren lernen

Mit dem Ziel, herauszufinden, was ich bei Mandana Mesgarzadeh und ihrer Kalker Druckwerkstatt 340Gramm für meine Buchbinderei und das Dekorieren meiner Arbeiten lernen kann, habe ich mich mutig angemeldet. 
Mandana hat mir an diesem sommerlichen Wochenende die Grundbegriffe sehr verständlich dargestellt. Ich habe mich dann auf „dry point”-Techniken konzentriert, weil ich ohne Ätzungen etc. auszukommen möchte. 
Mein Fazit: Ich habe viel gelernt und neben meinem Ziel, schlau zu werden, kann ich auch noch 3 hübsche kleine Radierungen vorzeigen. 

dry-point-Radierung; Schappa-plate; Blindprägung
(Foto ©Mandana)


Mittwoch, 4. Juli 2018

Die gemeine Bündezange, ein scheues Werkzeug


Eine Bündezange habe ich jahrelang gesucht und wurde immer mal wieder durch den hohen Preis vom Kauf abgehalten. Im (Online-)Fachhandel findet sich das Teil mit der Bezeichnung „Bündezange mit Verriegelung, Backenbreite: 40 mm, Preis 123,00 € ”.
Ich habe mir bisher mit einem „ingenösen” Holzteil aus Holland beholfen.
Selbstverständlich fand ich auch eine how-to-Anleitung, die mir zeigte, wie man sich als talentierter Schweisser/Löter/Feiler/Polierer aus einer alten Kombizange und 2 Stück Eisen selbst eine Bündezange baut. Aber, ich kann weder schweissen noch löten, jedenfalls nicht ein solch massives Werkstück.
Nun konnte ich erfolgreich ein Original im feinsten vintage-look ersteigern. Mein ebay-find ist gebraucht und sehr gut erhalten; wie sollte es wohl um ein massives Teil aus Schmiedestahl anders sein? Also, Zitat: „altes wohl Buchbinder Buchdrucker Werkzeug Zange 26,50 €” plus Versand. Heureka. Blindes ebay-Huhn fand auch mal ein nützliches Korn.

Sonntag, 24. Juni 2018

Neu in meinem Bücherregal

 
Ganzleder Franzband
auf Kordel geheftet






Neu, seit ein paar Tagen im Regal: Buch 1/2 - Ein Blankbuch, eine Eigenproduktion unter Anleitung des unkonventionellen, aber streng qualitätsorientierten Wuppertaler Buchbinders Roger Green (Fadenheftung auf Kordel, Ganzledereinband nach alter französischer Sitte mit handgemachten Kapitalen). Das waren zwei Tage sehr angenehmes Arbeiten in einer kleinen Gruppe mit dem aufmerksamen, stets ansprechbaren Roger.
Ich habe dem Büchlein zu Hause dann noch einen einfachen Schuber verpasst.  Wie die richtig schön gestalteten Schuber gehen, das wollen wir dem Herrn Green noch in diesem Herbst entlocken.


Neu, seit letzter Woche im Regal: Buch 2/2 - Ein Buch über Papier.
Titel: Papier - Material, Medium und Faszination.Vom Blatt zum Blättern. Herausgegeben von Neil Holt & Nicola von Velsen, erschienen im Prestel-Verlag; 100 schwarz-weiße und 50 farbige Abbildungen; 38,– €
Wie könnte es auch auch anders sein: „Papier ist ein durch und durch sinnliches und emotionales Material ….“ Bisher konnte ich keine Lücke finden, der/die Herausgeber*in haben nichts ausgelassen, jedenfalls kein Papier, das nicht in irgendeiner Art und Weise gestaltet oder in irgendeinem Winkel der kultivierten Welt produziert wurde. Das Buch ist schön designed und verfügt neben seinen, teils launigen, aber immer informativen Beiträgen über ein  Literaturverzeichnis. 
Auch an buchbinde-affine Papierliebhaber*innen wurde gedacht, denn das Buch wurde mit einem „offenen Rücken”, sprich als (maschinell gefertigte) Koperte gestaltet. Weil der Einband papierweiss daherkommt, habe ich auch ihm umgehend auch einen Schuber verpasst.

(Fast) alles über Papier

Montag, 14. Mai 2018

Früher war manches besser: Album Victorian Style

Es ist so, das ständige Genöle, früher sei ALLES besser gewesen, halte ich für vorgeschobenes Geschwurbel, um zukunftsorientiertes Denken und Handeln zu kaschieren. Manches von früher war wirklich besser und ist unverdienter Maßen in Vergessenheit geraten. Im Winter las ich von einem Buchbinde-Workshop zum Thema „Album Victorian Style”, den ich - auch aus aktuellem Interesse - gerne besucht hätte. Leider fand der an der Westküste der USA statt. Und weil San Francisco so furchtbar weit weg ist, habe ich die Instruktorin, Bettina Pauly (Buchkünstlerin, Druckerin, Buchbinderin), um ihr Handout zum Kurs gebeten und bekommen. Mit großer Freude habe ich mich an die Arbeit gemacht, ich wollte Bettina nicht enttäuschen. Leider prügelte die Aktualität seit dem erbarmungslos auf mich ein, ich bin mit beiden begonnenen Exemplaren noch nicht fertig geworden.
Album Victorian Style - Vorbeitungen














Einmal für das Thema sensibilisiert, entdeckte ich am frühen Samstagmorgen per Zufall in der Stiftskirche von Wunstorf ein schönes Beispiel, wie man aus einer Lose-Blatt-Sammlung mit rund 100 Blatt Zeichenkarton ein echtes Album baut, das sich einwandfrei umblättern lässt und so seine seelsorgerischen Schätze, die meisten von Kinderhand gefertigt, präsentiert.
Natürlich konnte ich  nicht wirklich in die Struktur des Riesenbuches (geschätztes Maß ca. 2 m breit, ca. 1 m hoch, ca. 25 cm dick) Einblick nehmen. Ich habe jedoch gesehen, dass es nach dem System gebunden war, das ich bei Bettina Pauly gefunden hatte. Die Einbanddecke hat gut und gerne 8 - 10 mm Stärke. Bitte die besonders stabile „Kapitale-Lösung” zu beachten.
Das machte meinen Samstag, äh, Sonnabend, ich befand mich schließlich in Niedersachsen.
Wunstorfer Album, Vorderansicht


Wunstorfer Album von oben, besonders stabile „Kapitale”

Freitag, 16. März 2018

Rebinding : Soll ich oder soll ich nicht?

Es scheinen sich die Buchbindegeister zu streiten, wenn es um das „rebinding” von Bücher geht, die eine (mehrfach) gebrochene irreparable Bindung haben. Ich für meinen Teil hefte diesmal auf 3 Köperbänder und nutze die vorhandenen Löcher, auch wenn die Bindung dann nicht mehr ganz symmetrisch sein kann. Als ein hilfreiches Instrument, den alten, extrafeinen Heftzwirn rückstandsfrei zu entfernen, erwies sich diese Mini-Sichel, die ich einer fädenziehenden Assistenzärztin im Krankenhaus abschwatzen konnte.
Die alte Original-Decke werde ich nicht wieder verwenden, bei ihr sind der industrielle Leim aus den 20er Jahren und das Vorsatzpapier eine unansehnlich-bräunlichen Verbindung eingegangen. Der Buchblock ist völlig in Ordnung, nichts gedunkelt, kein Stockfleck zu sehen.

Buch, fertig zerlegt, gereinigt, kann neu geheftet werden

Mittwoch, 14. März 2018

Historisches Buchbinderwissen

Mit meinem Buchbinde-Online-Freund Peter Verheyen tausche ich mich gelegentlich über das Buchbinden aus. Diesmal waren es die inzwischen obsoleten Leimtöpfe der frühen Jahre des vorigen Jahrhunderts. Ich fand diese Abbildung mit den mir unbekannten elektrifizierten „Töpfen” interessant.
Quelle:  [https://guildofbookworkers.org/content/marking-time-gbw
Quelle: Archiv Peter Verheyen
Peter V. antwortete mir mit einem seiner Archivschätzchen, dem Bild einer typisch handwerklichen Buchbindersituation aus Berlin, etwa um die gleiche Zeit entstanden wie die aus Chicago. Abgesehen von den nicht vergleichbaren Räumlichkeiten - hie manufaktur-/industrie-ähnlich - da Werkstatt - finde ich keine bemerkenswerten Unterschiede. Es sind halt Buchbinder bei der Arbeit: Zurichten, beschneiden, heften, leimen, deckenmachen, einhängen, abpressen usw.
Dann erinnerte ich mich, irgendwo in meinem Papierchaos nachlesen könnte, wie vor 100 Jahren Buchbinderarbeiten kalkuliert wurden und welche neuartigen Produktionsgeheimnisse bezüglich Klebstoffen die Firma Leo (die es in abgewandelter Form noch heute gibt) den darbenden Buchbindern in den Jahren nach dem WWI anbot. 
Es ist mir leider entfallen, wer mir dieses völlig gedunkelte Büchlein, den Taschenkalender namens „Leo's Buchbinder-Kalender” von 1921, mit fast 400 Seiten, geschenkt hat. Ich stellte fest, dass dieser Taschenkalender mit seinen Texten das berühmte „Fass ohne Boden” ist. Historische Infos ohne Ende; und aus heutiger Sicht viele Produkte und Techniken, die inzwischen in Vergessenheit geraten sind. Wer kocht sich denn heute noch sog. „Wiener Papp”,  Zitat „eines der besten […] Klebemittel […] für Leder …”. Der Buchbinderbedarf hat für jede unserer Arbeiten den spezialisierten Kaltkleber im Regal.
Beim Blättern fand ich dann noch einen Nachruf auf den vormals berühmten Buchbinder Georg Collin-Berlin, das bevorzugte Forschungsgebiet von Peter Verheyen.

Quelle: Leo's  Buchbinder-Kalender von 1921, Privatbesitz
Quelle: Leo's  Buchbinder-Kalender von 1921, Privatbesitz
Und so kam es, dass ich mich hiermit bei Peter für die vielen Tips, Hinweise, Ratschläge und Textbeiträge bedanken kann, die ich seit vielen Jahren bekommen habe. 

Montag, 26. Februar 2018

Paris 1900 Französische Plakatkunst … rebindet

Paris 1900 war der Titel der Buchruine, die ich in einer aufgegebenen Werkstatt fand, durch deren Ritzen in den Wänden munter der Wind pfiff. Wie das Buch ursprünglich aussah, die Decke war nicht mehr vorhanden, dafür sorgte dann Dr. Google. Dort zeigte man mir einen mittelblauen Leinenband mit dunkelblauer Schrift und einem knalligen Schutzumschlag - eine feine Achtziger-Jahre-Anmutung. Ohne Buchdecke, Schutzumschlag, beschädigtem Vor- und Nachsatz musste ich nicht vorsichtig reparieren, ich konnte mich austoben und mir ein persönliches, individuelles Nachschlagewerk schaffen. Es zeigt eindrucksvoll, wie die Moderne in der Gebrauchs-/Massen-Grafik in Europa gloriosen Einzug hielt.
Das großformatige Buch (34 x 24,5 cm, ca. 2 kg schwer), eine Sonderausgabe von 1991 für eine Buchgemeinschaft lizensiert, ist eine Sammlung ganz hervorragender Reproduktionen der ursprünglichen mehrfarbigen Steindrucke auf Original-Kunstdruck. Ich habe die Ruine etwas  genauer untersucht und fand - keine Stockflecken! Dem Durchzug am Fundort sei Dank. Allerdings sind 11 der Abbildungen, die einzeln eingeklebt waren, abgelöst worden, beispielsweise die von Alfons Maria Mucha. Das war mir egal, denn seinen ein wenig süsslichen Stil mag ich nicht wirklich.
Für die Lücken entschädigt mich der überaus sach- und fachgerechte Begleittext vom Autor Hermann Schardt, einem namhaften Graphiker, Maler, Direktor der Folkwangschule und Publizisten.
Er hat jede einzelne der abgebildeten Farb-Lithografien sehr detailreich beschrieben. Da fehlt nichts; jede Originalfarbe wird aufgezählt. Für mich, der ich dieses Buch nicht kannte, ein Genuss und Gewinn zugleich.
Was habe ich gemacht? Ich habe die alte maschinelle Fadenheftung und die Rückengaze mühsam  entfernt, die vielen winzigen Leimspuren außen an den Heftlöchern geglättet und ein paar kleinere Risse in den Lagen repariert. Damit die fehlenden Abbildungen mich nicht beim Blättern stören, habe ich sie mit den ihnen gegenüber liegenden obsoleten Textseiten fein eingepappt und zusammengeklebt. Ich habe einen neuen Vor- und Nachsatz in bester franz. Manier angeklebt und mit Japanpapierstreifen um die erste und letzte Lage fixiert. Dann habe ich auf Maschinen-Köperband geheftet, die vorhandenen Löcher nutzend; es waren schließlich genug davon da.
Bevor ich die Decke machte, habe ich mit einem vorsichtigen 1-mm-Rasierschnitt wieder einen sauberen Buchschnitt hergestellt. Die Pappen habe ich mit ungebleichtem Buchbinderleinen bezogen und dem Block kräftige Lederkapitale in Gelb und eine starke Hülse angepasst. Vielleicht kriegt das Buch noch einen Schuber - on verras (oder so).




Passend zum aktuellen Wetter - ohne Schal geht gar nichts.