Freitag, 5. April 2013

Buntpapier, grenzüberschreitend

Buntpapier, darunter verstehe ich kunsthandwerklich oder industriell gefertigte Papiere, die zum Kaschieren, zum Beziehen von Buchdeckeln, Schachteln oder gar Möbelinnereien genutzt wurden. Buntpapier konnte in alten Büchern als Vor- und Nachsatz in voller Pracht und Herrlichkeit überleben, weil der Buchbinder seine Arbeit präzise und fachgerecht erledigt hat. Als Vorsätze alter Bücher haben die anonymen, schön gestalteten oder aufwändigen, goldglänzenden Papierschätze überlebt. In vielen antiken Schränken wurden sie, wenn verschlissen oder zeitgeistig überholt, durch neue Papiere ersetzt. Auch in einigen Archiven können Muster besichtig werden.
Die verfügbare Literatur, wissenschaftliche Textsammlungen ausgenommen, ist begrenzt und, abgesehen vom Text, langweilt oft wegen der Schwarz-weiß-Abbildungen. Mich erfreute im vergangenen Jahr eine kleine, feine Ausstellung in Würzburg mit wenigen, aber schönen Beispielen alter Buntpapiere. Die meisten stammten von der verflossenen, ehedem berühmten Aschaffenburger Buntpapierfabrik (Dessauer); aber Katalog – Fehlanzeige.



Quelle für die Abbildungen: Éditions des Cendres, Paris

Dass jenseits der Grenzen ‚auch’ Buntpapiere hergestellt wurden, wird klar, wenn man sich die Angebote im Buchbinderbedarf oder Papierladen anschaut. Japan ist stark vertreten und Italien, ein bisschen noch aus Deutschland und England. In Italien und Japan werden teilweise zwei- bis dreihundert Jahre alte Dessins nachgedruckt und durch viele blümelige und kitschige Neu-Dessins erweitert. Manches Design ist wirklich gut und anwendbar, manches führt geradewegs zur Erblindung.
Doch so gut wie niemand legt die alten Traditionsmuster in Deutschland auf. Das ist zum Teil nachvollziehbar, weil mit hohen Kosten verbunden. Leider hat sich in deutschsprachigen Verlegerkreisen noch nicht herumgesprochen, dass es Digitaldruck gibt, durch den die immensen Kosten für Druckvorlagen etc. entfallen. Mit einem guten Scanner können allerbeste Farbreproduktionen erarbeitet werden. Deren Vervielfältigung (bis DIN A 3) liegt dann im Cent-Bereich pro Seite.
Die wenigen, rührigen Buntpapiererinnen, die wir von den Buchbinde- und Papierbörsen her kennen, geben sich viel Mühe, wenigstens einige der traditionellen Muster in mühevoller Handarbeit zu revitalisieren und anzubieten.
Als regelmäßiger, zielorientierter Facebook-User beziehe ich eine Menge schöner Anregungen und Abbildungen aus mehreren globalen Kontakten, u.a. auch mit einem französischen ‚Bibliomanen’. So kam ich jüngst zu dem Hinweis auf eine Ausstellung von antiken Buntpapieren in Paris. Sie findet noch bis zum 7. Juni d. J. in der Bibliotheque Mazarine statt. Parallel zur Ausstellung erschienen 3 (drei)  herrlich illustierte Bücher in einem Pariser Spezialverlag, je eines für  Frankreich, Italien und Deutschland (alle in limitierte Auflage, bestem Druck, fundiertem Text).
Eine der Buchautorinnen, Christiane F. Kopylov, schrieb mir, die Eröffnungsveranstaltung und die Besucherzahlen hätten die Erwartungen der Austellungsmacher und des Verlages übertroffen, trotz der Tatsache, dass dies die erste Buntpapier-Ausstellung in Frankreich sei. Das Interesse am Kulturgut Buntpapier scheint erwacht und die Zahl seiner Liebhaber_innen immer größer. Es gibt noch viel zu entdecken - jenseits der Grenzen. Und das ist gut so.