Mittwoch, 22. Oktober 2008

Mehlsackbuch №1




Alte Textilien können ihren eigenen Charme entwickeln, so sie noch nicht in haptischen, olfaktorischen oder anderen Verfall übergegangen sind. Altes Leinen hat es mir besonders angetan, seitdem ich bei Freunden und auch bei österreichischen Tandlern Stücke des herrlich glatten und kühlen Stoffes bewundern durfte. Bei einem Wiener Buchbinder :: klick :: fand ich die Anregung, daraus Bezugsstoff zu machen und Bücher einzubinden. Ortbauers verwendete Mehlsäcke sind besonders alt, edel und wunderschön. Allerdings gelang es mir nicht, einen solchen unter 200 € (!) zu finden - weder auf den Flohmärkten noch bei ebay. Doch da habe ich - unter anderem - diesen knackig blau-natur-gemusterten Getreidesack ersteigert. Billig war er nicht, er reicht aber aus, um einige Bücher damit einzuhüllen. 
Ob eine bäuerliche Großmutter aus einem Tisch- oder Betttuch den Getreidesack (für Mehl scheint er mir nicht dicht genug zu sein) genäht hat oder ob der Sack direkt vom Ballen abgemessen und von Hand mit doppeltem Leinenzwirn genäht wurde, kann ich nicht sagen. Jedenfalls wurde er viel und oft gewaschen, wodurch er sehr geschmeidig geworden ist.
Die aus handgesponnenem Garn handgewebte ca. 50 cm breite Bahn ist nach dem Auftrennen der Nähte gut 2 m lang. Ich habe das Leinen rückseitig mit 20 g/qm Japanpapier gegenkaschiert, danach ließ es sich mit ein paar Tricks und noch mehr Geduld verarbeiten: (M)eine Erkenntnis ist, dass es mindestens eine 2 mm-Pappe der besten Qualität sein muss, weil das Material kraftvoll einzieht. Als Ausgleich auf der Innenseite musste ich eine 0,8 mm-Pappe aufpappen, um zu einer glatten Fläche zu kommen. Mein Mehlsackbuch №1 hat die Maße 22 x 32 x 1,5 cm. Den Block habe ich aus Boesners Silberburg off white 110 qm einmal gefalzt auf 3 Bünde geheftet, so hat das Buch einen allseitigen echten (!) Büttenrand. Als Vorsatz habe ich mir dieses jeansblaue 90 g/qm Zerkall Maschinenbütten aus der Schublade gezogen, das ich gerne als Vorsatz einsetze, weil mir die Buchbinder-Standard-Vorsatzpapiere zu fad sind.

1 Kommentar:

tulibri hat gesagt…

Das gefällt mir sehr gut! Applaus!